Gestern konnten wir uns doch nicht mehr aufraffen, um Essen zu gehen. Wir waren k.o.und meine linke Wade begann zu krampfen, sodass ich nur noch die Füße hochlegen wollte.
Deshalb gab es nur für jeden einen Müsliriegel und einen halben Apfel. Dazu Wasser. Ein echtes Pilgermahl!
Schon um 20 Uhr lagen wir auf unseren wirklich bequemen Liegen in unseren Hüttenschlafsäcken und ich dachte nur kurz über " Punaise"- Bettwanzen- nach, denn meine Decke sah etwas unrein aus. Oh weh, lieber ausblenden, hoffen, beten und schauen, was passiert.🤔
Kaum dass wir die Augen geschlossen hatten, ging eine Party auf dem Platz los und an Schlafen war bei mir nicht zu denken. Es ging bis weit nach Mitternacht und ich hatte böse Gedanken. Morgens erzählte mir Holger, dass er auch Rachegefühle hegte und seine waren noch krasser. Was Krach bei alten Leuten auslöst🤪 Entspannt sind wir wohl noch nicht.
Doch dann ist Ruhe und wir schlafen etwas länger. Wir packen und dann auf zum Frühstück in den Ort!
Zuerst kommen wir an die beeindruckenden Abbatiale Notre- Dame de Beaugency ( Klosterkirche). Ein wunderbar, mystischer, kaum ausgeschmückter Kirchenraum umfängt uns mit wunderschönen, farbigen, alten Fenstern. Wir setzen uns, und just in dem Moment beginnt ein älterer Herr auf dem Cello life zur Klavierkonserve zu spielen. Der Klang war unbeschreiblich. Ich konnte nur die Augen schließen, dankbar sein und denken: wenn so ein Pilgertag beginnt, dann ist der liebe Gott bei uns.
Dann finden wir ein hübschen Platz mit einer Boulangerie und gegenüber einem Tabac. Das Frühstück ist gesichert. Wir sitzen draußen, ich bin glücklich mit meinem französischen Lieblingsfrühstück und erfahre, woher das Wort " Straßenkaffee" kommt.
Noch ein einfaches Baguette für mich ( vegetarisch belegen können Sie hier nicht) und eines mit Käse und Schinken für Holger und dann starten wir in einen neuen, bewölkten, warmen Pilgertag.
Es geht heute 20km durch fast unbewohnte Natur. Der Weg ist romantisch, da es für Fußgänger eine Alternative zum Radweg gibt. Diese Sentieres- Spazierwege - gehen direkt an der Loire entlang und wir sehen wieder jede Menge Wasservögel und in den Wiesen Schmetterlinge.
Gestern sahen wir einen Bauern, der seinen " Raschelmais" staubig einfuhr. Heute, gut 10 km später, kommen wir an ein Feld mit hohen, saftig grünen Maispflanzen und einer großen Beregnungsanlage vorbei. Im Hintergrund steht ein Atomkraftwerk. Ein Schelm, der da Böses denkt.
Dann kommt ein kleines, verfallenes Häuschen mit der Frage: Pourquoi, auf dem Türbalken.
WARUM? Mehr gibt es da nicht zu fragen. Mich beunruhigen diese Türme und das Wissen, dass sie ständig Wasser zum Kühlen brauchen, bei dem Niedrigwasser im Moment fühle ich Gänsehaut.
Nachher bewundern wir zwei Esel und dann wird es Zeit für eine Pause. Unter einem großen Walnussbaum breiten wir unsere neue Outdoor- Picknickdecke das 1. Mal aus und legen uns hin.
Mein Blick geht in die Baumkrone und verfolgt die vorbeiziehenden Wolken. Vögel zwitschern, ich bin völlig bei mir und glücklich. Direkt gegenüber ragen die Kühltürme in dem Himmel! Welch ein Paradoxum!
Ab hier ist der Radweg asphaltiert, die Sonne kommt raus und sofort ist es richtig heiß. Am Rand können wir dem Asphalt ausweichen, aber unser Wasser wird knapp und knapper.
Nach 20 km kommen wir nach Muides- sur- Loire, wo wir am Campingplatz durch den Zaun steigen ( mittags ist das Tor verschlossen) und am Brunnen Wasser trinken, bis der Bauch platzt. Die Flaschen aufgefüllt, den Kopf gekühlt und zurück, um auf einer Wiese nochmal zu pausieren. Holger schenkt mir den Käse und ein bissel Butter von seinem Baguette und so bekomme ich mein vegetarisches Mittagsmahl.
Skurriles Objekt auf dem Spielplatz😄Als wir weiter gehen, ziehen dunkle Wolken auf. Es grummelt.
Heute habe ich in Saint-Dyé- sur- Loire ein für französische Verhältnisse preiswertes Tiny- House gefunden und gebucht. Auf dem Weg dahin meckert Holger, dass es nicht so weit sein kann, es wäre weiter vorn, ich könnte doch die google- Karten eh nie lesen ( was oft stimmt)....doch ich bin mir sicher und kontere: Schimpfe weiter, aber in 450 m darfst du dich entschuldigen
Violá! Ich finde es. Nach 24,7 km sind wir da!
Ein gutaussehender, mittedreißiger Franzose führt uns zu unserem Träumchen im hintersten Eckchen seines Gartens mit Blick auf die Loire. Hier werden wir Ruhe haben. Holger entschuldigt sich!🙂 Kaum sind wir drin, geht ein kurzer, kräftiger Regenschauer nieder. Dann kommt wieder die Sonne.
Alles drin.
Das passte nicht mehr rein.
Blick auf die Loire ( Wer entdeckt das Wasser?)
Der Dorfladen ist ziemlich übersichtlich ( Verwaltung leerer Regale funktioniert) und so kaufen wir Getränke, Käse und Tomaten. Beim Bäcker gegenüber Baguette und der Abend ist gerettet.
Wir ruhen aus, beschließen morgen nur bis Blois zu laufen, um Zeit für die Stadtbesichtigung zu haben. Ich dusche und wasche meine verschwitzten Klamotten, als Holger mir mitteilt, dass er günstig ein Appartement mit Waschmaschine buchen kann! Hallo, kann er mir dass nicht 2 Minuten eher verraten? Der Schuft!
Nun sitzen wir auf der Terrasse, sehen der Sonne beim untergehen zu und sind glücklich
Fazit: Der Moment- unbezahlbar!
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