Mittwoch, 28. Oktober 2015

Zwei treue Freunde...

... verlassen mich nach ca.2500km. Sie geben auf! Sie schaffen die letzten 700 km nicht mehr. Sie sind nicht mehr dicht! Lösen sich von mir und von den Sohlen!
MEINE WANDERSCHUHE, die ich in Leipzig kaufte! In Logrono beim putzen, habe ich es gesehen.

Ja zum Glück bin ich in einer Stadt und kann so nach Neuen suchen. Nach drei erfolglosen Versuchen ist erst einmal Siesta, sodass ich erst 17 Uhr weiter suchen kann. Man sollte meinen, dass wenn hier tausende Pilger vorbei kommen, es einen gut sortierten Wanderladen gibt, aber dem ist nicht so. Die Internetrecherche ergibt, dass 10 km vor der Stadt ein Einkaufszentrum mit Decathlon gibt, da der Laden in Frankreich nicht so gut sortiert war, spare ich mir den Weg und suche in der Stadt weiter. Ich finde noch einen Laden und dort gibt es einen Salomo-Schuh in meiner Größe. Ich kaufe ihn und hoffe, dass er mir treu ergeben, mich  die letzten Kilometer begleitet und mir keine Blasen bereitet. Bye, bye Lowa!

Bei all dem Suchen hatte ich auch gleich meinen Stadtrundgang durch die Altstadt von Logrono, welche mir sehr gut gefällt.
Es gibt viele Kirchen und jede ist auf ihre Weise schön. In den Straßen pulsierte das Leben und es gibt überall Parks und Grünanlagen. Die Häuser haben prachtvolle Balkone und es gibt eine Jugendstil- Markthalle.
Ich fand eine zentral gelegene, sehr hübsche Herberge mit Hotelcharakter für 10€ im Vierbettzimmer. Es gibt ein eigenes Bad, mit Handtüchern und Seife, Betten mit Bettwäsche... Ja dass ist Luxus im Pilgerleben! Ringo und ich zogen ein und nachher noch 2Spanier, die wir schon aus anderen Herbergen kannten.
Wir ruhten uns aus, um uns später ins Nachtleben zu stürzen. Wir hatten einen Schlüssel und konnten selbstbestimmen, wann wir schlafen gingen.


Das Nachtleben bescherte uns 4 verschiedene Tapasbars. In jeder gab es eine andere Spezialität und alle waren super lecker. ( Wer braucht da Pilgermenüs?) Bei unserem Rundgang trafen wir Tracy wieder und gingen nun zu dritt. Der Rotwein schmeckte und die Stimmung war fröhlich- freundlich und 23Uhr verabschiedeten wir uns und gingen schlafen.
Am nächsten Morgen schliefen wir bis 7.30 Uhr und gingen in einer Bar frühstücken. Ich bin erstaunt wie preiswert es ist. Ein Bocadillo Schinkenrührei und ein Milchkaffee kosten 2,50€. Das reicht mir morgens voll und ganz. Wir starteten bei 15 Grad und noch unbekannter Wetterprognose.Wir liefen aus der Stadt und ich staunte, wie sehr sie sich noch in die Länge zog. Aber dann kamen wir in ein Naherholungsgebiet, am dem die
Autobahn entlang führte. Unter den Pilgern sahen wir die ersten bekannten Gesichter. Die Sonne schaffte es am Horizont zu erscheinen, der Wind trieb die Wolken weg und wir hatten eine klare Sicht. Was für eine Aussicht! Ich bin wieder vollständig im Glückshormonüberschuss und muss singen, lachen umd mich ständig um die eigene Achse drehen. Es ist so unbeschreiblich schön! Diese Weite, die Berge und Plateaus an allen Horizonten, die Laubfärbung- goldene Birken, rotglühendes Weinlaub, braune Erde und dazwischen kleine Orte mit herrlichen Kirchen. Wenn die Geräusche der Autobahn nicht wären... Inzwischen gibt es auch neue Gesichter auf dem Weg. So treffe ich eine Gruppe Spanier, die ich fotografiere, damit sie alle auf dem Bild sind. Koreaner, die humpeln aber unbeiirt weiterziehen. Kurz vor Ventosa treffen wir auf Heiko aus Hamburg. Befragt nach dem Grund erzählter er, dass er Beamter im Sabbatjahr ist. Er hat 3 Monate in Madrid mit Kaffee trinken und nichts tun verbracht und wollte nun mal etwas anstrengendes, nicht spaßiges machen. So unterschiedlich sind die Motive am Weg. Er ist 46 ( sieht deutlich älter aus), übergewichtig und Raucher! Mit leichten Gepäck, Blasen und immer wieder ein Stück mit dem Bus kommt er vorwärts. Dass wir nicht zusammen passen, war mir schnell klar und so gingen wir nach einem Kaffee unseren Weg weiter. Die neuen Schuhe liefen sich super und so  verlängerte ich die erste Etappe damit auf 30 km und 15 Uhr kamen wir in einer hübschen, privaten Herberge in Najera an. Eine halbe Stunde später kam ein koreanisches Paar an (66 und 54) mit denen wir in Logrono schwatzten und waren erstaunt dass wir schon da waren. Man muss wissen, dass sie jeden Morgen 6 Uhr mit Stirnlampe starten und dann 30 km laufen.
Beim üblichen Ritual setzte ich mich in die Lobby und machte mir Wasser für Kaffee heiß. Dabei beobachtete mich ein ältere Pilger und ich fragte, ob er auch Kaffee möchte. So kamen wir ins Gespräch und ich begegnete Tucker aus den USA, der auf dem Weg ist, um ein Buch zu schreiben. Er fragte viel und ich "redete" viel (auf englich) und verstand wenig. Aber das macht nichts, es ist einfach verry nice!

Abends gingen wir ein Pilgermenü essen und trafen Steffi und Ela aus Frankfurt/ Main. Der Funke wollte nicht überspringen, denn bei der Unterhaltung kamen deutliche Vorurteile gegen den Osten an den Tag und ich hatte keine Lust mich mit diesem plakativen Denken länger auseinanderzusetzen. Also gingen wir und wünschten ihnen einen guten Weg.
Morgens war ich früh in den Startlöchern und ging frühstücken. Dabei traf ich Heiko wieder, der mir seelenruhig erzählte, dass er sich die Bettwanzen eingefangen hat und sauer ist, weil er nur in Hotels und Pensionen übernachtet. Ich bat ihn seinen Rucksack von meinem wegzustellen und er verstand meine Panik überhaupt nicht. Also klärte ich ihn auf, aber dass brachte ihn nicht aus der Fassung!
Ringo kam und ich machte mich schnell aus dem Staub. Ringo hat nachts sein " Kopfkino" nicht ausstellen können und war noch ruhiger als sonst. Ich ließ ihn Vorsprung damit er in Ruhe nachdenken kann und tänzelte durch den erwachenden, recht frischen Morgen. Die weite der Landschaft ist einfach genial und so früh am Morgen bin ich darin ziemlich allein. Ich höre den Flügelschlag  einer Krähe über mir und dieses kräftige " ffftt" gab mir Kraft für meinen 110. Tag!
In einer kleinen Bar am Weg trank ich Kakao und dann ging es nach Santo Domingo de la Calzada, wo es ein altes Pilgerhospital gibt, dass jetzt ein Luxushotel ist. Man erzählte mir, dass man als Pilger da einen " Spezialpreis" bekommt. Also ging ich mutig rein und fragte, aber 100€ war es mir nicht wert. Also Fotos gemacht und in die Herberge der Bruderschaft. In der Anmeldung machte die Dame einen Kniefall als sie meine Credenzial sah und hörte, wo ich herkam. Sie meinte ich sei ein " Hero".Das war zwar süß, aber half mir wenig, denn ich bekam ein Bett ( nach Bitten unten) in einem 22-Leute- Schlafsaal und als ich ihn betrat, kam mir der Megaschnarcher entgegen. Oh Gott!!! Ich bat um einen anderen Saal. Ging kein Weg rein, also ging mein Weg weiter! Ich verabschiedete mich von Ringo, der einen Tag Pause braucht und ging und bekam sogar mein Geld zurück, obwohl mein Problem nicht verstanden wurde.
Also besuchte ich die Kirche für 3€ Pilgerpreis und schaute mir u.a. die Hühner an.
Ich sah in den Pilgerführer nach einer Herberge und die nächste, die nett klang, war 13 km weiter! Das ist weit, war ich doch schon 22 km gelaufen. Was ist mir der Schlaf wert? Ich marschierte erst einmal los und als es gut lief, rief ich an und reservierte ein Bett. Der Himmel riß auf und die Sonne kam heraus, sodass ich mich freute noch weiter zu laufen. Jetzt waren nur noch wenige Pilger unterwegs und überall war Siesta.Ein Bauer auf dem Traktor fragte, wo ich herkomme und als er Alemannia hörte, erzählte er, dass er in Deutschland studiert hat und ich sei eine schöne Frau. Das ist doch mal was. Beschwingt ging ich weiter und rastete an einer Art Balkon in Redecilla del Camino. Der Blick in die Landschaft war gigantisch und zwei winzige, dürre Kätzchen setzten sich zu mir. Leider hatte ich nichts für sie im Rucksack. Ein alter Mann in Pantoffeln setzte sich dazu umd machte mir ebenfalls Komplimente. Oh, oh, bin ich auf dem " Heiratscamino" gelandet? Ich lief die letzten Kilometer zur Herberge und sie ist klein, süß und sauber. Es wird gemeinsam gegessen und ich genoß erst einmal die Dusche und legte bis zum Essen die Füße hoch.

 Die Nacht war himmlisch ruhig und Dank Kamin kuschlig warm und ich schlief bis 7.30 Uhr. Nach einem einfachen Frühstück ging es in einen frostigen Morgen mit einem magischen Sonnenaufgang, der hier gefühlt schneller geht als in Frankreich. Aber sobald die Sonne den Weg beschien, wurde es herrlich warm und bei blauen Himmel und 22 Grad läuft es sich ausgezeichnet. In Belorado steht eine, der vielen Kirchen offen und ist groß und goldlastig. Zeit zum Innehalten. Ich kaufte etwas zu essen und traf ein ungesprächiges, deutsches Ehepaar. Also lief ich meinen Stiefel weiter, genoss die Freiheit und Weite und war wieder völlig glücklich. Den 111 Tag in Folge! Die 4Spanier liefen mir über die Füße und brauchten wieder ein Foto. Diesmal blieb Zeit sich vorstellen: Josef, Jesus, Roberto und Amabillo aus Leon.

In Villafranca Montes de Oca setzte ich mich auf eine Bank unter einen Baum, um auszuruhen. Den Blick auf die Kirche und das Land dahinter. Ein friedliches Fleckchen Erde. Ein junger Mann mit großen Schritt kam auf mich zu und stellte sich als Simon vor. Er brachte Grüße von Ringo, mit dem er in der Herberge war. Er war am Ende seiner Etappe, aber als er hörte, dass ich weiter gehe kam er mit. Simon hat gerade sein Abi gemacht und ist in Freiburg losgelaufen! Er ist 1,97 m groß und hat Schuhgröße 50! Also doppelte Schrittlänge! Er zieht mich die letzten 15km und ich bremse ihn. Wir plappern munter und er ist ein ganz netter Kerl. So ist er heute 50 km gelaufen- verrückt! Ich nur 37 , aber dass reichte mir auch.
In der Herberge ergatterten wir die letzten Plätze. Ich gönnte mir eine Waschmaschine, da ich keine Lust auf Handwäsche hatte. Es war einfach zuviel!
Abends saßen wir beim Pilgermenü und die Wirtin entpuppte sich als" Mama". Die Jungs wickelten sie so um den Finger, dass es Nachschlag von Nudeln und Pommes gab. Am Ende schenkte sie jedem eine Pilgerpflichtausrüstung.

Der nächste Tag begann ganz entspannt, denn ich schlief mit 4 jungen Leuten in einem Zimmer und die wurden erst gegen 7.30 "wach". Auch da begann kein wildes packen, wie sonst in den Herbergen sondern es wurde erst einmal das Handy gecheckt und Nachrichten verteilt. Herrlich geruhsam. Das Frühstück war minimal, aber für den Anfang reichte es. So starte ich in einem warmen Samstag morgen. Der Weg geht bergauf und schon im ersten Dorf hat mich Simon eingeholt und meint, er läuft mit mir, damit ich ihn bremse. Also war ich " Bremsläufer"- super.
In Cardenuela de Riopico halten wir ein 2. Frühstück ab und Simon lud mich auf eine Art Eglair ein. Lieb von ihm. Danach ging es auf nach Burgos,. Unterwegs trafen wir noch 2 Deutsche und als ich ihnen meinen Namen sagte, meinte einer, er hätte von mir auf dem Camino- Facebook gehört. Ha, ich bin da bekannt, obwohl ich nicht drin bin. Das finde ich ja mal wieder lustig.
13.30 Uhr hielten wir Einzug in Burgos und die Straßen waren voller Menschen.Wir liefen zur Kathedrale und Touristeninfo, aber die hatte gerade Siesta bis 17 Uhr! Also kein Quartier für Simon. Wir liefen zu dem Hostel, dass Holger mir gebucht hatte, in der Hoffnung noch ein Zimmer zu bekommen. Dort erfuhr ich, dass ich kein Zimmer habe, da es ein technisches Problem gab und sie voll sind! Also standen wir beide auf der Straße. Ich hatte ein Hotel "Jakobeo" gesehen, wo etwas von Pilgerherberge stand. Also fragten wir dort an und bekamen ein DZ mit getrennten Betten
und Frühstück für 52€. Na nicht lange überlegt und eingezogen. Ach war es herrlich zu duschen und sich mit kuschelweichen Handtüchern abzutrocknen. Keine Mikrofaser. Wie dankbar bin ich für die kleinen Dinge des Lebens.
Dann wurde ausgeruht, um nach der Siesta in die Stadt zu gehen. Das Nachtleben ruft.
Die letzte große Stadt vor der Meseta!

Samstag, 24. Oktober 2015

Die erste Woche in Spanien


Nun war Spanien erreicht und in der Herberge blieben wir 3 Frauen unter uns, sodass ich eine lange, schnarchgeräuschfreie Nacht hatte und von 20-7 Uhr geschlafen hatte. Morgens stand ich leise auf, denn die Amerikanerinnen schliefen noch. Ich war schnell in den Startlöchern, vergass aber, dass es erst 8 Uhr dämmert und so verschob ich den Start. Es war sehr kalt und als ich auf das Plateau kam sah ich einen dieser wunderbaren Sonnenaufgänge und zog Mütze und Handschuhe an. Ich beobachtete einen Fuchs auf Hasenjagd und solange ich sie verfolgen konnte, hatte der Hase gewonnen.



Ich hoffte für ihn, dass es so blieb. Im ersten Ort bestellte ich bei einer mürrischen Spanierin einen Kaffee con Leche. Im benachbarten Laden kaufte ich Proviant und suchte ein sonniges Plätzchen für das Frühstück. Als ich dieses genoss überholten mich zwei Pilgerpärchen. Beim Zweiten sprach der Mann englisch und ich hörte, dass es kein Muttersprachler war. Wir überholten uns zweimal, bevor ich ihn englisch auf einen besseren Ausblick hinwies. Er fragte, wo ich herkam und so lernte ich Ringo (35, Mutter Beatle- Fan) kennen. Wir liefen gemeinsam und unterhielten uns ganz angeregt.  Nach 31km kam ich in Arre an, wo für mich Schluss war. Ringo wollte eigentlich weiter, aber er war fertig und so zogen wir gemeinsam in die hiesige Herberge ein, welche nicht hielt, was der Führer versprach, aber ok. war. Nach und nach trafen Alice ( USA) und Tracy und Betsy von gestern ein. Das ergab wieder ein fröhliches Geschnatter. Gemeinsam gingen wir abends in eine Bar und aßen unser Pilgermenü und tranken Wein. Zurück schlichen die Amerikanerinnen und stöhnten. In Amerika hat der Spielfilm mit Martin Sheen über den Jakobsweg denselben Hype ausgelöst, wie Harpe in Deutschland.



Wir schliefen alle aus, weil wir dachten vor 8 Uhr geht nix los. Irrtum, der Pfarrer rumorte rum und spielte 7.40 Uhr die Orgel. Es klang ein bisschen wie Jahrmarktsmusik. 8 Uhr mussten wir raus sein! Ich schaffte es zwei Minuten davor. Bei der ersten panaderia gab es Kaffee und ein spanisches pain au chocolade. Auch sehr lecker. Ich lief mit Ringo die 4 km nach Pamplona und in der Casa de Paderborn gaben wir die Rucksäcke ab und machten einen ersten Stadtrundgang. Die Casa öffnet erst 12 Uhr. Pamplona gefällt mir. Dass ist das Spanien meiner Vorstellung. Die Kathedrale ist wunderschön und sehr goldlastig. Der Verkehr ist chaotisch- rücksichtsvoll. Die Häuser haben die schönen Balkone,das grüne Ampelmännchen läuft 60s bei jeder Grünphase richtig los ( ist sehr drollig anzusehen), der Schinken hängt von der Decke.... Wir laufen und staunen. Der Himmel ist blau und die Sonne lacht, aber 8 Grad sind frisch. Wir treffen Amanda wieder und sie checkt mit uns ein.



Nach einer Verschnauf- Wäsche-Pause laufe ich mit Ringo los, um den " Rest" der Stadt und die Zitadelle zu besichtigen. Ich bin total begeistert. Inzwischen ist es auch wärmer und wir setzen uns in ein Kaffee und genießen den faulen Tag.




Abends gingen wir zur " Rosaria" ( Rosenkranz beten) in die Kathedrale. Es war interessant zu sehen, wie locker die Katholiken hier sind. Der Pfarrer in Ringelshirt, der Chor schwatzt, wenn er nicht singt, die Kirchgänger kamen mit großen Einkaufstaschen. Danach stürzten sich alle ins Nachtleben. Verrückt was Freitag abend auf den Straßen los war. Volle Kneipen, Musik life und aus der Konserve und überall Kinder dazwischen. Wunderbare Atmosphäre! Ich ging mit Ringo Tapas essen, da ich diese Pilgermenüs nicht so toll finde, dass ich das jeden Tag brauche. Ich versuchte 4 Verschiedene und ein Glas vino de casa dazu und alles war lecker. Wir wechselten das Lokal und gingen ins Cafe "Irunia", wo einst Hemingway saß und ich probierte die erste Tortilla und dazu Sangria, der an der Bar gemixt wird- voll lecker. Dann liefen wir weiter und in einer Bar spielte ein Mexikaner Gitarre und sang. Leider konnten wir nicht lange bleiben, denn die Herberge schließt 22 Uhr. Ich ärgerte mich, dass ich der deutschen Herberge die treue hielt, denn die spanische lag zentraler und hat bis 23Uhr offen. Naja, in der nächsten belebten Stadt schaue ich nach der Öffnungszeit.
Auf dem Rückweg hatten wir noch ein stark riechendes Erlebnis. Wir wollten einen Fahrstuhl benutzen, den aber ein witziger Mensch mit "Schei....spray" besprüht hat!!! Ja das gibt es wirklich und dass sieht nicht nur so aus, sondern riecht auch so! Also gingen wir lieber die Stufen runter.
Am nächsten Morgen ( Samstags!) wurden wir 6.10 Uhr geweckt und nach dem Frühstück rausgeschmissen, sodass wir schon 7.15Uhr auf der Straße standen! Der Weg führte noch fast eine Stunde durch Vororte, sodass es ging. Ja und dann bei 5 Grad schon wieder ein gigantischer Sonnenaufgang. Ich kann mich daran ja nicht satt sehen. Am Horizont zeigte sich der Kamm, wo der Weg über den " Puerto du Perdon" geht und ich schaute, wo der Weg verläuft und genoss den Anstieg.Oben war der " Zug der Pilger" und ein herrlicher, leider diesiger Rundblick. Ich zog kurze Hosen an und zog weiter. Da ich früh los bin, mache ich den Umweg über das Kirchlein Eunate und es ist sogar offen. Welch ein Glück. Ich gehe 3x schweigend und barfuss um die Kirche, um die spirituelle Kraft zu tanken, aber es war kein Genuss sondern eine Tortur! Aber danach lief es sich ein wenig besser, denn die spitzen Kiesel hatten Massageeffekt! Dann ging es nach Puenta la Reina und nach Einzug in die Pilgerherberge, gingen wir einkaufen. Es gab einen Markt, wo es nichts außer Paprika gab, der vom Feld geerntet, sofort eingeweckt wurde und " tonnenweise" von den Leuten gekauft wurde. Auf Nachfrage erfuhren wir, dass sie diesen einfrieren und das ganze Jahr essen.
In der Herberge war großes Kochen angesagt und ich musste warten, bis eine Herdplatte frei wurde.
Wir luden Etienne zum Essen ein, denn es reichte für drei und er war allein unterwegs. Danach wollten wir zur Pilgermesse, aber als wir zur Kirche kamen, war diese schon zu Ende. In meinem Führer stand die falsche Zeit. Wir spazierten durch die Stadt zurück, tranken unseren Wein aus und gingen schlafen.
Mitternacht wurde ich von einem furchtbaren Schnarchgeräuch geweckt. Es war grausam, so etwas hatte ich noch nie erlebt. Schnarchen beim Ein- und Ausatmen in Presslufthammerlautstärke! Ich weckte ihn, 2 Minuten Ruhe und dann ging es weiter. Ich nahm die Taschenlampe und las, weckte ihn nochmal und versuchte zu schlafen.1Stunde schlief ich wohl, dann blendete ich den Schnarcher mit der Lampe, alles half nichts, er sägte weiter und ich wurde immet aggressiver.5.30 Uhr stand ich auf und flüchtete, bevor ich ihn mein Kopfkissen aufs Gesicht drücke! Ich dachte ich wäre Tiefenentspannt... Ich kochte mir einen Kaffee. Holger antwortete auf meine sms, "dass so schnell aus einer glücklichen Pilgerin eine verhärmte Gefängnissinsassin wird!"
Ringo kam raus und so frühstückten wir 6.30Uhr beim Bäcker und liefen mit Taschenlampe los. In der Dämmerung passierten wir der ersten Ort und als es hell war, hatten wir schon 10 km geschafft. Nachts hatte es ausgiebig geregnet und so waren die Schotter- und Feldwege sehr klitschig. Aber heute wurde es nicht richtig hell. Es blieb grau und wolkig und wir liefen über eine herrliche Landschaft, welche sich aber bedeckt hielt. Der Boden verändert hier jeden Tag seine Farbe. Nach dem Pass war er ockerfarben, danach rostbraun und heute kräftig rehbraun. Guter, fetter Ackerboden, der schon für die Winterruhe vorbereitet ist.
Wir kamen an der Bodega Irache vorbei, wo die Pilger sich am Weinbrunnen laben können. Zum Glück hatte ich mir einen neuen Becher besorgt und Ringo machte das Foto. Es gab eine Lifewebcam und ich rief Holger erfolglos an, aber Tim hörte und schaltete und sah mich. Manchmal finde ich die Technik schon Klasse. Danach folgte der letzte Akt für heute und wir checken in der Herberge in Villamayor de Monjardin nach 31 km ein. Die Herberge ist klein und überschaubar und wir sind zu acht in einem Zimmer. Wir kennen uns alle vom Weg und keiner schnarcht! Gute Aussichten. Ich setzte mich vors Haus, die Sonne zeigte sich kurz und der Blick glitt über einene Kirchenkuppel in die Berge.



Abends gab es ein gemeinsames Abendessen mit den Hospitaleros und 21 Uhr lag ich schon im Bett und holte den Schlaf nach, der mir fehlte.
Nach dem Frühstück starteten wir wieder in einen grau- neblig- feuchten Tag. Der Wein hat eine herrliche Blattfärbung, aber in dem Licht wirkt alles grau. Ich erahne nur die schönen Weitblicke, die hier möglich wären, wenn.... Inzwischen setzt auch der Niesel ein und das Regencape muss raus. Ein roter Farbtupfer im weiten Land, dass mir sehr fruchtbar erscheint. Überall Wein, Olivenbäume und leere Felder mit dunkelbraun grober Krume.



Hinter Los Arcos entdecke ich einen Baum mit " merkwürdigen" Früchten und beim genauen anschauen ist es ein Mandelbäumchen und die Früchte geben die Nüsse frei. Auf der benachbarten, kleinen Mauer liegt das Werkzeug unserer Vorfahren ( kleines Stück Ziegel) und so komme ich an den Mandelkern. Sie sind super lecker und so verweile ich ein paar Mandeln lang.
Der Weg ist heute ziemlich anstrengend, da er schottrig steil bergauf und bergab (10% Steigung lt. Schild) geht und alles nass ist. Zur Pause lädt das Wetter auch nicht ein und so laufe ich mit Ringo die 30 km in 7 Stunden durch, um in Viana in dier Herberge einzufallen. Wir gönnen uns ein 8- Bettzimmer, welches 2€ mehr als das 12- Bettzimmet kostet und hoffen, dass die Schnarcher geizig sind. Nach dem Duschen ruhen wir uns aus und legen die Füße hoch. Inzwischen regnet es kräftig, sodass wir keine Lust haben in die Stadt zu gehen. Später kauften wir ein und ich kochte uns Abendessen. Interessant ist, dass nur die Deutschen kochen. Andere Nationalitäten greifen auf Fertigsuppen zurück, sogar die Franzosen!



Nun bin ich schon eine Woche in Spanien und ich muss sagen es gefällt mir ausnehmend gut. Die Landschaft ist beeindruckend und vielfältig und hier wachsen all die Pflanzen im Freien, die wir in Pötten rein und raus schleppen. Heute sah ich eine " freiwachsende" Agave mitten im Nirvana. Die Olivenbäume finde ich faszinierend mit ihren alten, knorrigen Stämmen und auf einer Plantage bilden sie ein bizarres Bild, welches mich über ihr Alter meditieren lässt. Mit Spaniern und spanisch habe ich noch wenig Kontakt, denn die Sprache der Pilger ist englisch. Ich bin fasziniert, wer hier alles läuft. Eine amerikanische Familie mit 3 Kindern( danach geht es nach Deutschland zum Weihnachtsmarkt!), eine junge Frau aus Sibirien, 2Kanadier waren auch in der Herberge. In Viana waren 2 Berlinerinnen, Ute und Silvia. Ich bin in die Pilgerfalle gegangen und habe im ersten Laden eingekauft, zu völlig überteuerten Preisen. Lehrgeld, welches bezahlt werden muss.
Der Weg ist wunderbar ausgeschildert und vor jeder Straßenquerung stehen Schilder, dass in...  Metern eine Straße kommt. Für die Autofahrer gibt es riesige Schilder, die auf die Pilger aufmerksam machen.
Ich sehe immer wieder Kreuze am Weg, von Pilgern deren Weg vor Santiago endete und es macht mich traurig und ich frage mich warum? Sie hatten wahrscheinlich keine Chance mehr anderen von ihren Erlebnissen zu erzählen. Was ist passiert? Ich verharre an den Kreuzen und verspreche ihnen, den Weg zu Ende zu gehen und an sie zu denken. Soviele jüngere sind darunter und ihre Familien lassen uns wissen, dass es sie gab.
Ja und langsam werden die Etappen weniger und die Kilometer schrumpfen... darüber will ich noch garnicht nachdenken, sondern alle Tage bis zum Schluss genießen.



Sonntag, 18. Oktober 2015

Spaniens Himmel breitet seine Sterne über meiner Isomatte aus...

Am letzten Abend luden mich Han und Willem zum Dinner ein und wir bestellten Ente mit pepignol und frittes und mir blieb das Essen im wahrsten Sinn des Wortes im Hals stecken. Der Abschied stimmte mich traurig, das neue Abenteuer wartete und der Mut verließ mich kurzzeitig, wie bei meinem Frankreichabenteuer.Schaffe ich die Etappe, die von allen als hart beschrieben wird? Leichte Panik machte sich breit und mir wurde richtig schlecht. Ich konnte nichts essen. Han bestellte einen doppelten Pfirsichlikör und dann ging es mir besser. Ich verabschiedete mich von den Beiden mit der Geschichte  und zwei Schmunzelsteinen. Sie fanden es wunderbar und waren gerührt. Wir gingen zur Herberge und das Alter der Pilger hat sich stark verjüngt!
Im Schlafraum war schon Nachtruhe, wobei davon keine Rede sein konnte. Es gab zwei Schallgrenzenschnarcher und 4 Schnarcher! 5 Uhr!!! klingelte der erste Wecker und dann aller 10 Minuten einer! Was soll das? Draußen war es stockfinster! 6 Uhr war dann allgemeines aufstehen und als wir in die Küche kamen war eine richtige " Goldgräberstimmung" und die ersten liefen in die Nacht! Ich ging als letzte und die Männer nahmen mich zum Abschied in den Arm und mir liefen die Tränen. Ich stapfte los, im noch dunkel des Morgens und finde kaum die Zeichen. Aber es läuft sich gut und nach einer halben Stunde habe ich die Ersten eingeholt. Ich überhole Koreaner, Japaner, Franzosen, je eine Schwedin und eine Österreicherin, aber keine Deutschen.
Es geht steil bergauf, aber der Weg ist breit und asphaltiert, also kein Problem. Nach 1,5 Stunden habe ich den halben Aufstieg und 7 km geschafft und laut Führer, sollte man hier überlegen, ob die restlichen 17 km noch drin sind! Also nach 100 Tagen Training ist das auch mit 15 kg ein Spaziergang!


11 Uhr war ich an der höchsten Stelle (1365m) und kurz danach in Spanien. Es war eisig kalt und ich habe unterwegs lange Hose, Jacke, Mütze und Handschuhe rausgeholt! ( Da war der Rucksack 1 kg leichter!) Wolken zogen auf, Nebel hüllte mich ein und über mir kreisten mehrere Adler. Ich begegnete außer vielen Pilgern noch Schafen und Wildpferden. Es ist gigantisch. Aufwärts unterhalte ich mich ein Stück mit Gabi aus der Wiener Neustadt. Sie empfindet den Weg auch als "Alpenspaziergang". Ich gehe weiter und in einer Schutzhütte brennt der Kamin und ich lege ein 2. Frühstück ein. Dann geht es geräuchert weiter.
Ich treffe Amanda, eine 21 jährige Schwedin, die auch allein unterwegs ist und Lust auf einen Plausch hat. Wir unterhalten uns lustig auf englisch und erreichen 13.45Uhr Roncavalles. Dort trinken wir einen Kaffee zusammen. Roncavalles ist nur die Abtei und 2 Hotels. In der Abtei wurde eine neue Pilgerherberge eröffnet. Doch 184 Betten in 3 Schlagsälen nach der letzten Nacht- Nein Danke! Ich verabschiede mich von Amanda, die müde ist und laufe noch 7 km nach Espinal. Dort erwartet mich eine private Herberge mit nur 10 Betten. Als ich ankomme, bin ich allein. Meine erste spanische Herberge macht allen Gerüchten zum Trotz einen sauberen und freundlichen Eindruck. Ich dusche ( die ist allerdings recht frisch und härtet ab), wasche meine Klamotten für 3€ in der Maschine, da alles nach Rauch stinkt und esse meine letzte französische Pate auf Barguette. Inzwischen kommen Betsy und Tracy aus Ohio und Oregan hier an. Sie sind den 2 Tag unterwegs von St. Jean Pied de Port. Ja der Weg wird voller und meine Ängste sind der Freude gewichen, die sich in mir breit macht. Spanien, dass letzte Pilgerabenteuer!

Schneckentempo

Ich mutierte über Nacht zur Schnecke! Spanien ist so nah und ich krieche dahin, weil es mit der Blase nur langsam besser wurde. Aber ich habe ja Zeit. Der Morgen war wieder phantastisch. Ich ging 7 Uhr in der Dämmerung zum Bäcker und wenn eine Kleinstadt erwacht, so hat das was. Hier und da gehen Lichter an. Die Fußwege sind noch leer, die Müllabfuhr rumpelte über die Straße, die Laternen gingen aus und als ich auf dem Rückweg war, öffnete das erste Bistro.
Wir starteten wieder in einen sonnigen Morgen und die Magie von Tau, Nebel und Sonne entwarf eine weitere Sinfonie des Herbstes.
Das Lustigste, was ich mit den beiden Holländern erlebe, habe ich noch gar nicht erzählt. Es ist nicht das kulthafte Kaffee kochen nach 7 km sondern das Hunde- Ritual: Jeder Hund kläfft hier, die einen kurz, die anderen lästig lang und mir geht da immer der Herzschrittmacher durch! Aber jetzt nicht mehr! Kläfft ein Hund zu lange, schauen ihn die Beiden an und gehen nach rechts und nach links.Willem ist ein Hühne groß und kräftig, Han eher der sportliche Typ. Dann auf ein Zeichen hin rennen beide gebückt auf den Hund zu und kläffen und knurren zurück! Das ist so urkomisch und jeder Hund zieht den Schwanz ein, weicht aus oder rennt zurück! Ich lache jedes mal Tränen  darüber und bei kleinen Kläffern traue ich es mir auch schon. Es funktioniert!
In Hagtemau bezogen wir schon am frühen Nachmittag die Herberge. Municipal- also eine von der Sorte einfach und lieblos. Aber es gab eine Bank vor der Tür und so konnten wir in der Sonne Kaffee trinken, bevor wir zur Shopping und Sightseeingtour aufbrachen. Abend saßen wir im Sonnenuntergang bei Chilli con carne.
Der Wecker klingelte am nächsten Morgen zeitig, denn vor uns lagen fast 30 km, die ich langsam angehen wollte. Es klappte, dass wir 8 Uhr die Herberge verließen. Der Himmel bot wieder ein phantastisches Spektakel an Licht und Morgenröte mit Sonnenaufgang. Wir liefen aus der Stadt auf eine Anhöhe und als wir oben ankamen, sah ich sie: am Horizont wie ein Scherenschnitt, eine Fatamorgana - die Pyrenäen! Mein Herz machte einen Purzelbaum und die Freude war grenzenlos. Jetzt sah ich wie nah Spanien ist! Der leichte Schmerz in der Ferse war vergessen und auf jeder Anhöhe schaute ich auf die Berge, die mich den ganzen Tag schemenhaft begleiteten.
In Beyries hatte ich die härteste Toleranzübung des Weges. Josef, ein drolliger, alter etwas verwahrloster Mann kam auf uns zu und fragte herzlich nach dem woher und wohin. Er nötigte uns in sein Haus, um uns Kaffee zu kochen.Die Küche war ein Graus, und er stellte angeschlagene Tassen auf den Tisch, löffelte Carokaffee rein und nahm lauwarmes Wasser aus der Leitung. Dabei plapperte er fröhlich auf uns ein. Ich trank den Kaffee und dachte, wenn ich das überstehe, bringt mich nichts mehr um. Er zeigte uns stolz seine Sammlung von Pilgerkarten, die er von Kaffeetrinkern erhalten hat. Sie haben es trotz Kaffeepause geschafft! Das gab Hoffnung. Als wir gingen packte er uns noch 4 halbgute Tomaten ein. Er meint es wirklich lieb, aber....
Wir liefen weiter und fragten an einem Haus, ob wir im Garten pausieren dürften. Es war kein Problem, denn die Eigentümer fuhren eh gerade für 2 Stunden weg. So picknickten wir in der Sonne und ruhten uns 1/2 Stunde auf der Sonnenliege aus.
Übrigens wurde bei meinem letzten Blog der Eindruck erweckt, dass ich mit den Holländern zu viel trinke. Deshalb hier das Beweisfoto, dass dem nicht so ist!

Am späten Nachmittag kamen wir in Ortez an und bezogen einen mittelalterlichen Turm( ehemaliges Hotel de la Lune), komplett für Pilger eingerichtet. Mit Waschmaschine, Trockner, Fön und Butter, Marmelade und Milch im Kühlschrank.Welch ein Luxus, da übersehe ich glatt, dass die Farbe von den Wänden blättert.
Wir duschten und schrieben Tagebuch und ich stellte fest, dass ich exakt nach Kilometer 2500 angekommen bin. Das muss natürlich gefeiert werden! Mit Erdbeerlimo " Cremont de Bourgogne"!
Wir gingen in die Stadt um für das Abendessen einzukaufen und kamen in der Fußgängerzone zum " Catwalk" einer Boutique mit fetziger Lifemusik, sodass wir ein bischen blieben.
Bei angenehmen 20 Grad und bedeckten Himmel war das nächste Ziel Osserain- Rivarethe. Der Weg dahin war abwechslungsreich und kaum waren wir irgendwo oben, ging es wieder runter und immer wieder grüßten in der Ferne die Berge. Unterwegs erinnern immer wieder Reste an alte Pilgerstationen umd Hospitäler. In L' Hopital d' Orion ist eine sehr schöne, schlichte Kirche aus dem 13.Jahrhundert erhalten geblieben und lädt zur Einkehr ein. Ganz in der Nähe steht ein Pilger.

Da Sonntag war, gab es wieder das " Proviantproblem", aber bei einem guten Pilger findet sich immer etwas im Rucksack, und wie sagte schon meine Großmutter:" In der Not ißt der Teufel die Wurst auch ohne Brot" und so kamen wir gut über den Tag. In Sauveterre- de- Bearn, einem sehr hübschen mittelalterlicher Ort mit herrlichen Häusern, Kirche und Stadtmauer,sollte es etwas geben, aber der Ort war Sonntags ausgekehrt! Wir fanden ein offenes Restaurant mit einer wunderbaren Terrasse hoch über dem " gave d' Oloron" und Blick auf die Pyrenäen, aber zu essen fanden wir nichts. Also tranken wir nur etwas, ruhten aus, genossen die Aussicht und liefen 3 km zu unserem privaten Refugio. Das Haus heißt " mon reve ", mein Traum und ist es auch, denn Pascale, der Besitzer unterstützt die Pilger ihren Traum zu leben. Er kümmert sich um die Wäsche und möchte, dass wir uns rund um wohlfühlen. Das Haus selbst wirkt  dunkel und entfaltet seine Schönheit erst auf den 2. Blick. Der Blick aus meinem Kabüffchen ( Kammer am Elternzimmer) weilt auf dem Friedhof, also wird es schön ruhig.
Nach der Dusche entdeckte ich eine Waage und somit war Gewichtskontrolle angesagt. Yippiyeh, yeh, yippi, yippi jeh...die 10 kg- Marke ist geknackt! Da freue ich mich ja auf das Abendessen!
Damit überrascht Pascale sogar den Sternekoch. Im Abendmahl hat er seine baskischen Wurzeln offenbart. Es gibt einen spanischen Port als Apperitiv, danach eine richtig leckere Gemüsesuppe aus Gemüse aus dem eigenen Garten. Zum baskischen Hähnchenschenkeln serviert er Butternudeln mir einem perfekten Tomaten- Paprikagemüse mit viel Knoblauch und einen Rjocha. Der Käse kommt aus der Normandie und der Nachtisch ist ein selbstgemachter Apfelmus mit Zimt und dazu Spekulatius.Am Ende schenkt er mir die restlichen Spekulatuis, weil er sah, dass ich sie lecker fand. So viel Freundlichkeit- Wahnsinn! Ein Hobbykoch mit einem großen Herz für Pilger!
So gingen wir mit einem guten Gefühl schlafen.
Übrigens, auf dem Weg habe ich den ersten Mandarinenbaum in " freier Wildbahn" gesehen. Es gab auch eine Art " Apfelbaum" an dem gelbe Früchte hingen, die wie große Eiertomaten aussahen, welche mir völlig unbekannt sind. Bananenbäume stehen hier neben Palmen und Bambus in jedem Garten. Da merke ich, dass ich recht südlich bin.
Wolkenverhangen erwachte der nächste Tag, aber es war noch immer warm. Am aufgeweichten Weg merkten wir, dass es nachts kräftig geregnet haben muss. Da alles feucht war und uns ein Nieselregen einholte, viel die Kaffeepause aus und wir liefen bis Saint Palais, wo wir im Bistro den Kaffee tranken. Wir kauften für ein Picknick ein und ich gönnte mir mein wohl letztes " pain almond" für lange Zeit. Die Abschiedszeremonie von Frankreich beginnt.
Inzwischen war es wieder trocken und wir liefen auf einen steilen Weg hinaus. In der Mitte gab es das Picknick. Als wir oben ankamen steht auf der Wiese eine gigantische Skulptur aus dunklem Holz, welche wohl das Zusammentreffen der drei Pilgerwege, Via Podensis (von le Puy de Velay), Via Limovicensis ( von Vezelay) und Via Tourensis( von Tour) darstellen. Sie ist von Christian Lapie und heißt laut Schild " Le Reflet du Ciel".
Die eigentliche Kreuzung ist aber weiter unten, an der Stele von Gibraltar, welches nach der alten baskischen Aussprache " Chibaltarem" Treffen heißt.

Aber das wirklich glücksgefühle auslösende Moment, war weder die Eine noch die Andere, sondern der Ausblick! Ringsrum waren plötzlich Berge, ich sehe den Weg vor mir, wie er abwärts und wieder aufwärts führt, dann auf dem Bergrücken weiter geht, um dann dahinter zu verschwinden. Ich kann ihn gehen, bis zum Ende ohne umzudrehen! Ich bin so glücklich.

Es ist wie in den Alpen ( Berge, Kuhglocken...), nur dass an den Häusern keine Geranien hängen und die Fensterläden rotbraun gestrichen sind.
Ich lief runter, ich lief hoch und oben auf dem Bergrücken überliefen mich die Freudenschauer, dass ich Holger anrufen musste, um ihn das zu erzählen und dabei liefen mir die Tränen über das Gesicht! Ganz schön durchgeknallt!
An der " Chapelle de Soyarce" schauten wir rundum ins weite Land, nur die Pyrenäen blieben im Wolkendunst  erahnbar. Über uns ziehen große Scharen Wildgänse, die sich für den Flug nach Süfen formierten und dass war ein interessantes und geräuschvolles Spektakel.
Han wand oben angekommen sein Schweißtuch aus und es tropfte beeindruckend daraus. Der Anstieg hatte es in sich.

Als wir in Ostabat- Asme einlaufen begann es wieder zu regnen. Wir schlüpften in die erste Bar und tranken ein "Panache", bevor wir unter der Regencapes verschwanden und noch einen Kilometer bis zur Herberge liefen, wo das tägliche Ritual begann. Das die Wege zusammenlaufen, merkten wir daran, dass abend beim Essen 15 Pilger saßen! Bisher waren wir mit wenigen Ausnahmen unter uns. Draußen goss es inzwischen in Strömen. Glück gehabt!
Abends wurden wir von unseren baskischen Gastgebern bekocht und erhielten als Entree und zum Dessert ein baskischen Chanson vom Chef persönlich. Den Refrain mussten wir dann alle mitsingen " Auf dem Weg nach Santiago ". Es ging mit Sangria und navarrischen Rotwein lustig zu.

In der Nacht hat es durchgehend geregnet und so beginnt mein 100. Tag regengrau. Die Wege haben sich in Matschpisten mit Schmierseife verwandelt und ich bin froh meine Stöcke dabei zu haben. Es geht aber gut voran und ich genieße es, wieder völlig schmerzfrei zu laufen. Der Weg führte auch durch Schafherden und dabei stellte ich fest, dass diese die Glocken um den Hals haben und nicht die Kühe.

Das Wetter sieht den ganzen Tag wacklig aus, aber es hält durch. Pause machen wir erst in Saint-Jean-le-Vieux und dann im Sturmschritt nach Saint-Jean-Pied-de-Port. An der" Porte Saint Jaques wird das Zielfoto genommen und dahinter befindet sich schon die Herberge
Wir sind schon 13.10 Uhr da und das wird statistisch erfasst. Am Fließband wird nach Name und Nationalität gefragt.10€ in die Kasse und Quittung und Bettennummer ausgeteilt! Ich habe die 114 und das ist ein Bett unten in einem 16-Mann- Zimmer! Duschen ist noch nicht, da der Klemptner gerade da ist. Aber da kommt Janina ins Spiel. " Die Mutter der Pilger" , wie sie sich selbst nennt ist ca. 80 und kocht uns einen Kaffee und plappert fröhlich los.
Heute ist mein letzter Abend in Frankreich und mein letzter Abend mit Willem und Han, denn die Beiden fahren morgen mit dem Zug nach Biarritz, wo ihre Wechselsachen  deponiert sind. Nach ein paar Ruhetagen werden sie meiner Spur folgen. Also Freude und Abschied dicht beeinander!

Hasta la vista-Spanien ich komme!

Die Nächste Etappe mit Blase war nur 30 km lang.6km Sandboden, der Rest Asphalt! Was soll ich sagen, ab Mittags war es anstrengend, aber besser als am Vortag. Ich habe mich mit Logik und Statistik abgelenkt und hier die Ergebnisse:
Ich bin seit 3 Monaten weg! Exakt 94 Tage. Noch 6 Tage, oder 140km trennen mich von Spanien. Dann war ich 55 Tage in Frankreich und habe 1350km zurückgelegt. In Spanien erwarten mich nur noch knapp 900km.In Deutschland waren es ca.1140 km. Also bin ich fast 3400 km unterwegs und das klingt irgendwie richtig Klasse und tröstet über die Schmerzen.
Die Pilgerkasse habe ich in Deutschland mit duchschnittlich 2€ weniger belastet, als in Frankreich. Eingerechnet der Neuanschaffungen. Sonst wären es 10€ weniger gewesen, aber es gehört ja dazu. Tres bon! Alles in allem bin ich aber im Limit und lebe nicht am Limit. Das ist doch tröstlich.
Im Gegensatz zu Deutschland bin ich den größten Teil der Tage in Begleitung ( nur 26 Tage war ich allein) von netten Männern gelaufen.
Ja soetwas geht mir durch den Sinn, wenn ich nicht bei Sinnen bin. (Joachim, ich glaube, dass ist nicht das, was du unter " die eigenen Gedanken beobachten" meinstet!)



Die Nacht war sehr unruhig und ich hatte starke Schmerzen. Frisches Pflaster, Socken an und los ging es zu einer kurzen Etappe nach Saint Sever. Der Morgen war beeindruckend frisch und die Sonne ging langsam auf. Der Weg führte wieder durch Heide und der Tau auf den Gräsern funkelte wie Svarovski- Steinchen. Nebel stieg auf und Spinnengespinste sahen phantastisch aus. Ein magischer Morgen.

Leider wurde aus dem schönen Weg wieder Asphaltpiste. Vor der Kirche in   kochte Han Kaffee und es wurde richtig warm, sodass wir die Hüllen fallen lassen konnten und wieder in kurzen Klamotten liefen. Der Schmerz war ab dem Mittag unerträglich und ich wollte nicht mehr Heldin sein und warf ein Pillchen ein. Das erste Mal, dass ich schwach wurde. Aber als sie wirkte, lief es sich leichter und ich fühlte mich besser. In Saint Sever waren wir schon zeitig und besichtigten die kleine Stadt, nachdem wir uns frisch gemacht hatten. Ich genehmigte mir einen leckeren Apfeltarte und erfreute mich an dem faulen Nachmittag.

Donnerstag, 8. Oktober 2015

Allein, allein!?

Mogens startete ich ausgeruht und mit einem neuen Rucksack (ich habe Holgers "Osprey" beschlagnahmt, denn der hat weichere Gurte,trägt sich angenehmer und hat für Holger nach dieser Urlaubserfahrung eh ausgedient) trotz Abschiedsschmerz gut gelaunt in den sonnigen Oktobertag. Die Etappe hat es in sich und ich brauche eine Weile, bis ich auf dem richtigen Weg kam.
Ist es egoistisch, wenn ich sage, dass ich es genoss auf niemamden Rücksicht zu nehmen und meinen Stiefel zu laufen? So schön es mit Holger war, so froh laufe ich in den Morgen und weiß, es ist mein Weg, mein Abenteuer, mein Tag!
Ich nehme den feuchten Duft des Waldbodens auf, rieche die Pilze, die sich da verstecken und sehe die im Sonnenlicht glitzernden Tautropfen an den Farnspitzen. Es ist Oktober und er beginnt so sonnig wie mit zu Mute ist.

Die ersten 17 km laufen sich von allein, dann wurde es beschwerlicher, denn ich lief nur noch auf Teerwegen, welche sich durch die Landschaft schlängelten. Nach einem steilen Anstieg hatte ich einen Rundblick, der mir einen Freudenjauchzer entlockte! Es war rundum so schön: hügelig, Wald und Wiesen bestanden, Weinberge, Häuser und der Glanz des Oktobersonnenlichtes. Wahnsinnig, betörend schön und ich stand allein mittendrin.
Im nächsten Ort rieche ich den Trester von Wein und als ich mich umschaue entdecke ich ihn auf dem Misthaufen. Meine Nase betrügt mich nicht. Am Weg steht jede Menge Minze und Zitronenmelisse und die Geckos laufen blitzschnell über den Asphalt. Der nächste Ausblick eröffnete mir den Anblick des Tals der "Dordonne" und da lief ich hinab und 2 km am Fluss nach Port-Sainte- Foy- et- Ponchapt, wo ich nach 35 km am Ziel ankam. Die Pilgerherberge ist vom Feinsten! Aufwendig renoviert mit vornehmer, begehbarer Dusche, moderner Küche und 2 Schlafräumen. Einen großen für die Männer (8 Betten) und ein Zweibettzimmer für die Frauen, dass ich allein für mich habe! Bezaubernd!
Bei den Herren treffe ich alte Bekannte: Han und Willem aus Holland. Wir gingen gemeinsam einkaufen und Han (Sternekoch und ehemaliger Restaurantbesitzer) kochte für uns ein leckeres Abendbrot. Dazu ein Fläschchen Rotwein aus dem " Bergerac" und ein netter Abend war gesichert.


Der nächste Morgen begann mit einem perfekt gekochten Ei  und einer neuen Weggemeinschaft, denn die Holländer wollten mir eine Abkürzung zeigen, die der Pfarrer ihnen gesagt hatte. Da begann das Abenteuer a la hollandaise!
Die Abkürzung ging über die " alte" Eisenbahnbrücke an deren Ende wir über den Zaun stiegen. Ich sah schon die Schlagzeile:" Drei Pilger vom Zug erfasst", aber alles ging gut. Wir liefen wieder auf eine Anhöhe und über den Weinreben stieg der Morgennebel im Sonnenschein auf und es war ein sehr romatischer Anblick. Nach 8 km war Kaffeepause und Han holte den Kocher raus und kochte Kaffee. Als wir weitergingen kam Gil, der Franzose aus St. Astier dazu und wir liefen zu viert weiter. Han merkte, dass er sein Telefon!!! vergessen hatte und ging zurück. Wir liefen weiter und suchten eine Bank für ein Picknick und nichts war zu finden. Willem entdeckte in einem Vorgarten Tisch und Stühle und klopfte an der Tür an. Eine Französin in meinem Alter öffnete und als sie sah, dass wir Pilger sind, bat sie uns herein. Sie kochte Kaffee und Tee, stellte Kuchen, Brot, Pate und Trauben auf den Tisch und verließ uns für 20 min, da sie die Kinder von der Schule holen muss. Unglaublich! Wir stärkten uns und unterhielten uns mit Ann ( ihr Name) und erfuhren, dass sie 6 Kinder hat und sehr gläubig ist. Sie bittet uns für sie und ihre Familie eine Kerze zu entzünden. Das werden wir nicht vergessen. Wir zogen weiter und in Pellegrue trafen wir Han mit Handy wieder und liefen gemeinsam nach Saint-Ferme, wo uns die zweite schöne Pilgerherberge in Folge erwartet.
Wir wurden von Jean Pierre und Nicole begrüßt und abends auch lecker bekocht. Ich saß mit meinen Yeti-Puschen am Tisch und Nicole war total begeistert und wollte gleich im Netz recherchieren. Also machte ich Werbung für Yeti in Frankreich.

Die Nacht war weniger erholsam, zwei von drei Männern schnarchten und ab 1Uhr tobte draußen ein Gewitter mit Blitz und Donner. So war ich froh, dass ich 7Uhr aufstehen konnte. Das Frühstück zog sich hin, denn draußen prasselte immer noch der Regen. Aber pünktlich 8 Uhr hörte es auf und ich hatte den heiligen Jakobus im Verdacht mit Petrus gesprochen zu haben. Jedenfalls klarte es nach und nach auf und wir liefen in 4er Gemeinschaft los. Nach ein paar Kilometern verloren wir Gil, weil die "Oranjes" einen Kaffee brauchten. Aber weit und breit kein Bistro. Also flott einen Bauern, der über den Zaun schaute angequatscht und ich weiß nicht, wie Han das macht, aber 10 min später saßen wir in der Küche und bekamen einen Kaffee. Die Jungs nahmen einen Schluck Kognak dazu, ich nur Zucker.
Dann ging es weiter und nach 15 km kam doch der kleine Hunger. Nun kam mein Part. Am Wegesrand "fand" ich Tomaten und Weintrauben und im Rucksack hatte ich Salami, Studentenfutter, Kekse und Schokolade. Was für eine Mahlzeit! So kamen wir Mittags in Reole an und genossen einen Kaffee bevor wir schauten, wo es ein Bett gab. Wir fanden es in 6 km Entfernung in Bassanne. Wir kauften für das Abendessen ein und zogen los. Ich sah eine Riesenplantage mit, ja was eigentlich? Ich schaute genau hin und es waren Kiwis!!! Na da freut sich ja der Rucksack.1,2,3 geerntet und schon hatten wir einen Nachtisch.

Hinter uns zogen schwarze Wolken auf und wir liefen mit ihnen um die Wette. Gewonnen! Wir stellten uns mit den ersten Tropfen unter und telefonierten, um abgeholt zu werden. Als das Auto kam, kam auch Gil klatschnass an. Also wieder zu viert.
Die Herberge ist eine toll sanierte alte Mühle, welche mit ein bischen Pflege ein Schmuckstück wäre. Han meinte: "Ein Loft für Pilger!"
Ich fand frische Wäsche beim neugierig stöbern und so bezogen wir die Betten frisch. Dann genossen wir den herrlichen Raum und sahen dem Regen draußen trotzig zu.
Abends kochte ich in der Miniküche "Hackfleisch mit Ei" a la Bruni und dazu grünen Salat und die pessimistischen Kerle waren dann doch mit dem Ergebnis einverstanden. Der Übermut ließ Willem und mich den Abend mit " Hosen flicken", " Galgen raten" ( war aber zu schwierig) und " Fingerfußball" ausfüllen. Wir hatten einen Heidenspass.

Kaum sind Pilger nicht unter Kontrolle, reißt die Ordnung ein! Keiner von uns hatte einen Wecker gestellt und so wurden wir erst 7.45Uhr wach! Na ja, es war ja Sonntag. Frühstück mit perfektem Ei und dann in die Startlöcher. Der Himmel war grau, der Asphalt auch, nur die Laune war wieder bestens. Nach 10 km schmerzte meine rechte Ferse. Das war weniger schön und als ich nachschaute, entdeckte ich eine fette Blase auf der Hornhaut! Wie geht das denn? Also Pflaster drauf und durch! In Auros ist " Brocante" und wir schauten uns um, blödelten und fanden einen guten Kaffee und Kuchen. Schon ging es weiter und 7 km vor dem Endziel war Mittagspause auf der Terasse einer alten Dame, die uns Kaffee spendierte. Die Jungs haben es drauf.
In Bazas schauten wir uns die Kathedrale Saint-Jean-Baptiste an, welche es auch auf die Welterbeliste geschafft hat. Sehr beeindruckend! Ich bin immer wieder erstaunt, dass hier die Kirchenfenster so vielfältig bunt gestaltet sind und scheinbar alle Zeiten überstanden haben. Dadurch wirken die Kirchen viel dunkler und geheimnisvoller.
Anschließend saßen wir in einem Bistro und tranken ein Bier. Dann begann die Zimmersuche. Es war nicht einfach und am Ende hatten wir nur die Wahl in ein Chateau zu gehen. Das klingt gut, aber der Komfort ist relativ einfach und dafür gut bezahlt. Gil verabschiedete sich, da er weiter laufen möchte.
Wir zogen ein und machten uns frisch. Die Eigentümer gingen zum Tanztee, sodass wir frech den Salon belegten, denn da war der Handy und Wifi-empfang am Besten.
Der Hunger trieb uns schon 18.30 Uhr in die Stadt und wir fanden nur ein chinesisches Restaurant, dass geöffnet hatte. Also aßen wir "kantonesisch-Standard", wie Han sarkastisch bemerkte. Wir waren die einzigen Gäste und das war Sonntagabend schon ungewöhnlich. Als wir 20 Uhr gingen, entdeckten wir noch drei geöffnete Restaurant! Klar, wir sind in Frankreich, da wird spät gegessen. Wir gingen in einen recht gemütlich eingerichteten "Tabac", um das Nachtleben am Puls der Stadt zu genießen. Willem schaute sich am Fussball fest und Han und ich versuchten Billiard zu spielen. Ich habe es erst einmal bei der Kur vor 20 Jahren gespielt und Han hatte auch keine Ahnung von den Regeln, obwohl er schon öfter gespielt hat, aber wir hatten jede Menge Spass und irgendwann lasse ich mir mal die Regeln erklären. Wir hatten unser eigenes Punktesystem und am Ende habe ich beide Spiele gewonnen.( Hans hat gezählt!)
Nach diesem fröhlichen Abend zogen wir in unser Schloss.   

Da die Jungs immer noch nicht die Nase von mir voll hatten, zogen wir gemeinsam weiter. Nachdem der Rucksack mit Proviant gefüllt war, liefen wir der Ausschilderung hinterher und verliefen uns, weil wir einen Bauzaun, der den Weg versperrte ernst nahmen. Als wir nach 1 Stunde im Kreis wieder da ankamen, überwanden wir ihn und waren richtig. Der Weg war eine alte Bahntrasse und führte schnurgerade durch das Nichts! Der Boden war sandig und das ganze Gebiet ist " Landes", also Heidelandschaft. Es wurde unter Napoleon trocken gelegt und mit Kiefern und Eichenwald befestigt. Es zählt zu den größten zusammenhängenden Waldflächen Europas und ist sehr dünn besiedelt. Wir sehen also den Weg vor uns und rechts und links Kiefern, Eichen, Farn und Heide! Damit es nicht zu langweilig wird, schickte uns Petrus einen plötzlichen Regenguss. Indem Moment wo wir überlegten, ob es vorbei zieht oder....schüttete es los! Wie bei einer Feuerwehrübung warfen wir blitzschnell die Rucksäcke ab, holten das Regencape raus und waren auch schon nass! Rucksack auf- Regencape drauf und schon zogen 2 blaue und 1 rotes Regengespenst durch den Wald. Diese Alarmübung sollten wir unbedingt noch üben, denn es ist nicht so einfach ein Regencape über den Rucksack zu ziehen! Es goss in Strömen und als wir eine Straße querten, sahen wir in 100 m Entfernung eine Autowerkstatt, wo wir Unterschlupf und einen Kaffee bekamen. Nach 30min war alles vorbei, die Sonne kam raus und wir trockneten ab. Es ging weiter gerade aus und der Weg war voll Wasser gesogen, sodass es sich wie auf einem Teppich lief, was meiner Ferse sehr gut tat. Wenn ich nicht dran dachte, war alles gut! Wir picknickten um die Mittagszeit im dampfenden Wald. Die Temperatur war bei angenehmen 22 Grad, wie uns ein Thermometer verriet. Nach 20 geraden Kilometern kamen wir in Capiteux an und bezogen eine neue Art der Pilgerherberge. Ein kleiner Bungalow direkt auf dem Grundstück des "marie", mit ZWEI !!! Schlafräumen, 2 Duschen, Miniküche und Terrasse! Welch ein Luxus. Ich besorgte Kaffee, Kekse und Trauben und 15.30 Uhr saßen wir in der Sonne.Wieder so ein toller Pilgertag!
Danach war Waschtag und alles auf die Leine, neben die nun trocknenden Capes.
Nach dem Duschen schaue ich nach meiner Blase und die ganze Ferse ist dick und entzündet. Die Blase selbst ist prall und thront wie eine Insel im Entzündungsherd! Merde! Pardon, aber mehr fällt mir dazu nicht ein! 
Ich versuchte sie mit der Nadel aufzustechen , da sie aber unter der Hornhaut liegt, ist das ein Witz. Ich nahm also die Schere und " operierte" am offenen Fuß! Es lief und lief und alles wurde besser. Der Druck ließ nach und ich legte die Füße den Rest des Nachmittags hoch!
Übrigens: Bei Paulo Coelho's Jakobsweg bekommt die Hauptfigur immer Übungen auf dem Weg. Ich auch: Bei mir heißen sie Toleranzübungen: Die erste war Gil und seine Eßgewohnheiten. Also nicht von diesen auf den Rest der Person zu schließen. Ist mir nur mit Anstrengung gelungen.
Die Zweite ist: Kann ich Schlafräubern ( Schnarchern) auf Dauer morgens fröhlich "Guten Morgen" wünschen, wenn ich nachts wach lag? Ich kann.... und ich kann es immer besser! Letzte Nacht lag ich wach, weil mal einen Moment keiner geschnarcht hat! Das fand ich schon wieder lustig!
Abends gingen wir ins Kino. Captieux mit 1900 Einwohnern hat ein Kino mit fast 200 Plätzen und für 5€ ( Rentner 3€) sahen wir gemeinsam mit einem. französischen Paar den Film über Amy Winehouse, welcher im Originalton mit Untertiteln lief. So hatte ich doch  die Chance einiges zu verstehen, aber es gab ja viel Musik zum hören.

Der nächste Tag begann ganz mild und wir liefen schon in der Dämmerung ( kurz vor 8 Uhr) los, da die Etappe lang war. Schon die ersten Schritte auf der Bahntrasse versprachen mir, dass es kein guter Tag wird. Aber mein Optimismus schaltet erst einmal die Signale, die auf mein Hirn vom Fuss trafen aus. Der Sonnenaufgang war phantastisch! Nach und nach vergoldete sie die Bäume, Sträucher und Farne am Wegesrand, der Hahn krähte, Vögel zwitscherten, dass hatte etwas magisch- perfektes. Es war irrsinnig schön wie Licht und Schatten variierten und die Blatt- und Farnfarben ein bezauberndes Farbspiel kreiierten. Der Bahntrasse folgten wir 10 km und die Schottersteine prägten mein Empfinden. Danach wechselten wir auf die andere Seite der Autobahn und dahinter wurde der Weg sandig und mit Kiefernadeln bedeckt zur " Wohltat". Nach einer Pause ging es weiter und nach 20 km kommen wir in Bourriot-Bregone an, wo es einen " Tabac" gibt. Aber der schließt in 15 min! Wir bekamen aber noch ein Radler und einen Kaffee und durften auf der Terrasse unsere Pause beenden, trotz Schließung. Danach ging es ein paar Kilometer richtig gut! Ich jammer ja nicht oft, aber heute war es soweit und ehrlich gesagt hatte ich die letzten Kilometer nicht viel Spass, aber Willem und Han lästerten so nett, dass ich wieder lachen konnte. Ich stützte mich auf meine Krücken und habe kaum noch einen Blick für die Umgebung.Ich fühlte mich " undankbar" und sah wieder bewußt die verschieden blühenden Erikabüsche, gelbe Sternenblümchen, grün von Ginster und Kiefernschösslingen und weiße " Fussel" -blütenstände, dazu braun getönte Farne und Pilze in jeder Facette. Wirklich einzigartig, wenn ich alle Sinne dafür frei hätte. Als ich endlich die ersten Häuser von Roquefort ( nicht dass vom Käse) sah, entrang sich meiner geschunden Seele ein lautes " Ja"- Stöhnen, was dem von Sally ( im Film, jeder kennt die Szene) sehr nahe kam. Han und Willem lachten sich total kaputt und fragten:" Bruni, geht es noch?" Das ist die Frage! Im "Tabac" brauchte ich erst einmal ein Radler und noch eins und dann konnte ich ins Refugio humpeln. 36 km geschafft- auf der ganzen Linie!!!

Das Refugio gehört zur Kategorie " Klasse". Alles da, alles sauber,  Waschmaschine und Trockner! Nach dem Duschen war also Waschtag. Die Jungs gingen einkaufen und ich darf die " Waschmaschine" hüten. Sie sind wirklich zwei liebe Kerle und verwöhnten mich mit Bier, leckerem Essen, Wein zum Essen und Chips. Im Refugio war auch Ruth, eine 70 jährige Australierin, die mir eröffnete, dass sie nachts auch schnarcht und spricht und so wird die Nacht sicher lustig. Eine Steigerung meiner Toleranzübung!

Samstag, 3. Oktober 2015

Die letzten Tage Urlaub?

Bei herrlichsten Wetter, ausgeschlafen ( der Wecker klingelte erst 7.30Uhr und nach einem netten Frühstücksgeplauder starteten wir nach Perigeux. Der Weg meinte es gut mit Holgers Füßen, denn bis auf die letzten 3 km war alles Waldweg. Da montags in Frankreich die Bäcker meistens geschlossen sind, hatten wir keinen Grund eine große Pause zu machen. Am Weg lagen nur kleine Ansammlungen von Häusern, so dass auch kein Bistro lockte. Kurz vor Perigeux gingen wir in einen Intermarche und kauften ein Picknick und Holger konnte einer Flasche Federweißer nicht wiederstehen. Auf dem "cimetiere nord" suchten wir uns eine sonnige Bank und aßen und tranken. Nach dem 4. Schluck Wein merkte ich die Wirkung. Leerer Magen und Federweißer! Ich war froh den Rest des Weges an zwei Stöcken laufen zu können.
Im Refugio stellte ich fest, dass ich meine Wasserflasche nicht richtig zugemacht hatte und nun schwamm der halbe Rucksack! Non vino a jour!!!
Nach einer Regenerationsphase liefen wir in Altstadt um diese und die Kathedrale zu besichtigen, welche einfach " manifique" ist. Herrlich von außen, beeindruckend von innen und zauberhaft von der anderen Seite der "Isle". Wir liefen ( besser schlichen) durch die Altstadt und kauften ein kleines Abendbrot ein, denn auch die Restaurants sind montags geschlossen. Außerdem hat Holger noch eine neue Blase und will nur noch die Füße hochlegen. Inzwischen sind zwei Holländer und ein Franzose eingetroffen und so saßen wir in großer Runde am Tisch, aßen, tranken einen "Bergerac" und klönten. So geht das Pilgerleben. Diese Zeit des Tages gefällt dann Holger doch ganz gut. Sonst findet er " marcher, manger et dormir" ( wandern, essen, schlafen) eher langweilig bzw. strapaziös.

 
Doch er musste weiter laufen. Der nächste Morgen war kalt, aber die Sonne schien und brachte dann doch die mollige Wärme, um Urlaubsfeeling aufkommen zu lassen. Der Weg war wieder abwechselnd Straße und Waldweg und mittags setzten wir uns in die Grünanlage von Gravelle. Dort folgten wir gehorsam der Ausschilderung und stellten nach einiger Zeit fest, dass der Weg verlegt bzw. neu als Rad- und Wanderweg angelegt wurde. Das hatte nicht nur den Vorteil, dass wir nicht mehr hoch und runter mussten, sondern auch, dass sich die Etappe um 5 km verkürzte. Holgers Kommentar:" Ich bin zwar auf dem Weg noch nicht dazu gekommen mit Gott in Verbindung zu treten, aber manchmal erhört er mich!"
Dazu fällt mit nichts mehr ein!
Wir bezogen ein schönes Haus, welches an Pilger vermietet wird und trafen auf Philipp und Elisabeth, die am anderen Ende ein Zimmer bezogen. So ist die Nachtruhe und Holgers Erholung gesichert. Hier gab es eine Waage und ich konnte feststellen, dass Frankreich nicht zur Erreichung des Idealgewichts beiträgt. Aber wozu bin ich hier, wenn ich nicht mit allen Sinnen genießen will. Der Rucksack hat mit Kleiderwechsel zum Glück nicht zugelegt.
Holgers letzte Etappe brach an und er startete mit diesem Wissen doch recht motiviert. Selbst als wir feststellten, dass wir auf dem etwas längeren Teil des Weges sind, fand es es nicht so schlimm, denn er war recht abwechslungsreich und sehr gemütlich. Unser Mittagspicknick hielten wir am Ufer der Isle gegenüber eines Schlosses.

In der Mitte der Etappe begegneten sich die verschiedenen Wege wieder und Holger meinte die neue Radroute war gestern super, also wird sie auch wieder kürzer sein. Ich überließ ihn die Entscheidung, warnte nur vor dem Asphalt. Wir gingen los und der Weh zog und zog sich! Der Fluss mäandriert hier mächtig und so unser Weg. Es wurde zur Herrausforderung und die Laune erreichte den Gefrierpunkt. Nach fast 29 km kam Holger tod in Mussidan an und die Herberge war noch zu. Als wir dann sahen, dass die 6 Betten in einem und nicht 2 Schlafräumen standen, entschied ich, dass Holger an seinem letzten Abend besseres verdient und do wechselten wir in ein kleines Hotel. Wir liefen noch in die Stadt, um etwas zu essen und da erlebten wir eine Geschichte, wie sie nur in Frankreich funktioniert. Wir setzten uns an einen eingedeckten Tisch in einem " Truckerrestaurant". Die Kellnerin kam, stellte uns je eine Karaffe Wein und Wasser hin und fragte, ob wir einen Aperitif möchten. Als wir verneinten, kam sie mit einer Suppenterrine wieder. Wir waren überrascht, aber für sie war klar, dass wir das Menü des Abends essen. Nach der Suppe kam eine Vorspeise, dann konnten wir aus 2 Hauptgängen wählen, datauf folgte ein Teller mit 7Sorten!!! Käse und grüner Salat, gefolgt von der Qual der Wahl aus 10 verschiedenen Desserts und Kaffee. Wir waren nudeldicke satt und als die Rechnung kam platt!! 27€ alles zusammen!!!! Zusammen, nicht pro Person.
Ja so hatten wir noch einen schönen und preiswerten Abend als Abschluss von Holgers Pilger-Stippvisite. Eins ist sicher, Holger freut sich auf unsere Wohnmobilurlaube und hat nun einen ganz neuen Blick auf das, was ich hier mache. Auch wenn er es nicht verstehen kann, ist es doch schön, dass er mich ziehen lässt