Von einem Ende der Welt zum Anderen! Görlitz-Finesterre 2015 / Pilgerurlaub- Via Tourensis 2022 Camino del Norte 2024
Samstag, 24. Oktober 2015
Die erste Woche in Spanien
Nun war Spanien erreicht und in der Herberge blieben wir 3 Frauen unter uns, sodass ich eine lange, schnarchgeräuschfreie Nacht hatte und von 20-7 Uhr geschlafen hatte. Morgens stand ich leise auf, denn die Amerikanerinnen schliefen noch. Ich war schnell in den Startlöchern, vergass aber, dass es erst 8 Uhr dämmert und so verschob ich den Start. Es war sehr kalt und als ich auf das Plateau kam sah ich einen dieser wunderbaren Sonnenaufgänge und zog Mütze und Handschuhe an. Ich beobachtete einen Fuchs auf Hasenjagd und solange ich sie verfolgen konnte, hatte der Hase gewonnen.
Ich hoffte für ihn, dass es so blieb. Im ersten Ort bestellte ich bei einer mürrischen Spanierin einen Kaffee con Leche. Im benachbarten Laden kaufte ich Proviant und suchte ein sonniges Plätzchen für das Frühstück. Als ich dieses genoss überholten mich zwei Pilgerpärchen. Beim Zweiten sprach der Mann englisch und ich hörte, dass es kein Muttersprachler war. Wir überholten uns zweimal, bevor ich ihn englisch auf einen besseren Ausblick hinwies. Er fragte, wo ich herkam und so lernte ich Ringo (35, Mutter Beatle- Fan) kennen. Wir liefen gemeinsam und unterhielten uns ganz angeregt. Nach 31km kam ich in Arre an, wo für mich Schluss war. Ringo wollte eigentlich weiter, aber er war fertig und so zogen wir gemeinsam in die hiesige Herberge ein, welche nicht hielt, was der Führer versprach, aber ok. war. Nach und nach trafen Alice ( USA) und Tracy und Betsy von gestern ein. Das ergab wieder ein fröhliches Geschnatter. Gemeinsam gingen wir abends in eine Bar und aßen unser Pilgermenü und tranken Wein. Zurück schlichen die Amerikanerinnen und stöhnten. In Amerika hat der Spielfilm mit Martin Sheen über den Jakobsweg denselben Hype ausgelöst, wie Harpe in Deutschland.
Wir schliefen alle aus, weil wir dachten vor 8 Uhr geht nix los. Irrtum, der Pfarrer rumorte rum und spielte 7.40 Uhr die Orgel. Es klang ein bisschen wie Jahrmarktsmusik. 8 Uhr mussten wir raus sein! Ich schaffte es zwei Minuten davor. Bei der ersten panaderia gab es Kaffee und ein spanisches pain au chocolade. Auch sehr lecker. Ich lief mit Ringo die 4 km nach Pamplona und in der Casa de Paderborn gaben wir die Rucksäcke ab und machten einen ersten Stadtrundgang. Die Casa öffnet erst 12 Uhr. Pamplona gefällt mir. Dass ist das Spanien meiner Vorstellung. Die Kathedrale ist wunderschön und sehr goldlastig. Der Verkehr ist chaotisch- rücksichtsvoll. Die Häuser haben die schönen Balkone,das grüne Ampelmännchen läuft 60s bei jeder Grünphase richtig los ( ist sehr drollig anzusehen), der Schinken hängt von der Decke.... Wir laufen und staunen. Der Himmel ist blau und die Sonne lacht, aber 8 Grad sind frisch. Wir treffen Amanda wieder und sie checkt mit uns ein.
Nach einer Verschnauf- Wäsche-Pause laufe ich mit Ringo los, um den " Rest" der Stadt und die Zitadelle zu besichtigen. Ich bin total begeistert. Inzwischen ist es auch wärmer und wir setzen uns in ein Kaffee und genießen den faulen Tag.
Abends gingen wir zur " Rosaria" ( Rosenkranz beten) in die Kathedrale. Es war interessant zu sehen, wie locker die Katholiken hier sind. Der Pfarrer in Ringelshirt, der Chor schwatzt, wenn er nicht singt, die Kirchgänger kamen mit großen Einkaufstaschen. Danach stürzten sich alle ins Nachtleben. Verrückt was Freitag abend auf den Straßen los war. Volle Kneipen, Musik life und aus der Konserve und überall Kinder dazwischen. Wunderbare Atmosphäre! Ich ging mit Ringo Tapas essen, da ich diese Pilgermenüs nicht so toll finde, dass ich das jeden Tag brauche. Ich versuchte 4 Verschiedene und ein Glas vino de casa dazu und alles war lecker. Wir wechselten das Lokal und gingen ins Cafe "Irunia", wo einst Hemingway saß und ich probierte die erste Tortilla und dazu Sangria, der an der Bar gemixt wird- voll lecker. Dann liefen wir weiter und in einer Bar spielte ein Mexikaner Gitarre und sang. Leider konnten wir nicht lange bleiben, denn die Herberge schließt 22 Uhr. Ich ärgerte mich, dass ich der deutschen Herberge die treue hielt, denn die spanische lag zentraler und hat bis 23Uhr offen. Naja, in der nächsten belebten Stadt schaue ich nach der Öffnungszeit.
Auf dem Rückweg hatten wir noch ein stark riechendes Erlebnis. Wir wollten einen Fahrstuhl benutzen, den aber ein witziger Mensch mit "Schei....spray" besprüht hat!!! Ja das gibt es wirklich und dass sieht nicht nur so aus, sondern riecht auch so! Also gingen wir lieber die Stufen runter.
Am nächsten Morgen ( Samstags!) wurden wir 6.10 Uhr geweckt und nach dem Frühstück rausgeschmissen, sodass wir schon 7.15Uhr auf der Straße standen! Der Weg führte noch fast eine Stunde durch Vororte, sodass es ging. Ja und dann bei 5 Grad schon wieder ein gigantischer Sonnenaufgang. Ich kann mich daran ja nicht satt sehen. Am Horizont zeigte sich der Kamm, wo der Weg über den " Puerto du Perdon" geht und ich schaute, wo der Weg verläuft und genoss den Anstieg.Oben war der " Zug der Pilger" und ein herrlicher, leider diesiger Rundblick. Ich zog kurze Hosen an und zog weiter. Da ich früh los bin, mache ich den Umweg über das Kirchlein Eunate und es ist sogar offen. Welch ein Glück. Ich gehe 3x schweigend und barfuss um die Kirche, um die spirituelle Kraft zu tanken, aber es war kein Genuss sondern eine Tortur! Aber danach lief es sich ein wenig besser, denn die spitzen Kiesel hatten Massageeffekt! Dann ging es nach Puenta la Reina und nach Einzug in die Pilgerherberge, gingen wir einkaufen. Es gab einen Markt, wo es nichts außer Paprika gab, der vom Feld geerntet, sofort eingeweckt wurde und " tonnenweise" von den Leuten gekauft wurde. Auf Nachfrage erfuhren wir, dass sie diesen einfrieren und das ganze Jahr essen.
In der Herberge war großes Kochen angesagt und ich musste warten, bis eine Herdplatte frei wurde.
Wir luden Etienne zum Essen ein, denn es reichte für drei und er war allein unterwegs. Danach wollten wir zur Pilgermesse, aber als wir zur Kirche kamen, war diese schon zu Ende. In meinem Führer stand die falsche Zeit. Wir spazierten durch die Stadt zurück, tranken unseren Wein aus und gingen schlafen.
Mitternacht wurde ich von einem furchtbaren Schnarchgeräuch geweckt. Es war grausam, so etwas hatte ich noch nie erlebt. Schnarchen beim Ein- und Ausatmen in Presslufthammerlautstärke! Ich weckte ihn, 2 Minuten Ruhe und dann ging es weiter. Ich nahm die Taschenlampe und las, weckte ihn nochmal und versuchte zu schlafen.1Stunde schlief ich wohl, dann blendete ich den Schnarcher mit der Lampe, alles half nichts, er sägte weiter und ich wurde immet aggressiver.5.30 Uhr stand ich auf und flüchtete, bevor ich ihn mein Kopfkissen aufs Gesicht drücke! Ich dachte ich wäre Tiefenentspannt... Ich kochte mir einen Kaffee. Holger antwortete auf meine sms, "dass so schnell aus einer glücklichen Pilgerin eine verhärmte Gefängnissinsassin wird!"
Ringo kam raus und so frühstückten wir 6.30Uhr beim Bäcker und liefen mit Taschenlampe los. In der Dämmerung passierten wir der ersten Ort und als es hell war, hatten wir schon 10 km geschafft. Nachts hatte es ausgiebig geregnet und so waren die Schotter- und Feldwege sehr klitschig. Aber heute wurde es nicht richtig hell. Es blieb grau und wolkig und wir liefen über eine herrliche Landschaft, welche sich aber bedeckt hielt. Der Boden verändert hier jeden Tag seine Farbe. Nach dem Pass war er ockerfarben, danach rostbraun und heute kräftig rehbraun. Guter, fetter Ackerboden, der schon für die Winterruhe vorbereitet ist.
Wir kamen an der Bodega Irache vorbei, wo die Pilger sich am Weinbrunnen laben können. Zum Glück hatte ich mir einen neuen Becher besorgt und Ringo machte das Foto. Es gab eine Lifewebcam und ich rief Holger erfolglos an, aber Tim hörte und schaltete und sah mich. Manchmal finde ich die Technik schon Klasse. Danach folgte der letzte Akt für heute und wir checken in der Herberge in Villamayor de Monjardin nach 31 km ein. Die Herberge ist klein und überschaubar und wir sind zu acht in einem Zimmer. Wir kennen uns alle vom Weg und keiner schnarcht! Gute Aussichten. Ich setzte mich vors Haus, die Sonne zeigte sich kurz und der Blick glitt über einene Kirchenkuppel in die Berge.
Abends gab es ein gemeinsames Abendessen mit den Hospitaleros und 21 Uhr lag ich schon im Bett und holte den Schlaf nach, der mir fehlte.
Nach dem Frühstück starteten wir wieder in einen grau- neblig- feuchten Tag. Der Wein hat eine herrliche Blattfärbung, aber in dem Licht wirkt alles grau. Ich erahne nur die schönen Weitblicke, die hier möglich wären, wenn.... Inzwischen setzt auch der Niesel ein und das Regencape muss raus. Ein roter Farbtupfer im weiten Land, dass mir sehr fruchtbar erscheint. Überall Wein, Olivenbäume und leere Felder mit dunkelbraun grober Krume.
Hinter Los Arcos entdecke ich einen Baum mit " merkwürdigen" Früchten und beim genauen anschauen ist es ein Mandelbäumchen und die Früchte geben die Nüsse frei. Auf der benachbarten, kleinen Mauer liegt das Werkzeug unserer Vorfahren ( kleines Stück Ziegel) und so komme ich an den Mandelkern. Sie sind super lecker und so verweile ich ein paar Mandeln lang.
Der Weg ist heute ziemlich anstrengend, da er schottrig steil bergauf und bergab (10% Steigung lt. Schild) geht und alles nass ist. Zur Pause lädt das Wetter auch nicht ein und so laufe ich mit Ringo die 30 km in 7 Stunden durch, um in Viana in dier Herberge einzufallen. Wir gönnen uns ein 8- Bettzimmer, welches 2€ mehr als das 12- Bettzimmet kostet und hoffen, dass die Schnarcher geizig sind. Nach dem Duschen ruhen wir uns aus und legen die Füße hoch. Inzwischen regnet es kräftig, sodass wir keine Lust haben in die Stadt zu gehen. Später kauften wir ein und ich kochte uns Abendessen. Interessant ist, dass nur die Deutschen kochen. Andere Nationalitäten greifen auf Fertigsuppen zurück, sogar die Franzosen!
Nun bin ich schon eine Woche in Spanien und ich muss sagen es gefällt mir ausnehmend gut. Die Landschaft ist beeindruckend und vielfältig und hier wachsen all die Pflanzen im Freien, die wir in Pötten rein und raus schleppen. Heute sah ich eine " freiwachsende" Agave mitten im Nirvana. Die Olivenbäume finde ich faszinierend mit ihren alten, knorrigen Stämmen und auf einer Plantage bilden sie ein bizarres Bild, welches mich über ihr Alter meditieren lässt. Mit Spaniern und spanisch habe ich noch wenig Kontakt, denn die Sprache der Pilger ist englisch. Ich bin fasziniert, wer hier alles läuft. Eine amerikanische Familie mit 3 Kindern( danach geht es nach Deutschland zum Weihnachtsmarkt!), eine junge Frau aus Sibirien, 2Kanadier waren auch in der Herberge. In Viana waren 2 Berlinerinnen, Ute und Silvia. Ich bin in die Pilgerfalle gegangen und habe im ersten Laden eingekauft, zu völlig überteuerten Preisen. Lehrgeld, welches bezahlt werden muss.
Der Weg ist wunderbar ausgeschildert und vor jeder Straßenquerung stehen Schilder, dass in... Metern eine Straße kommt. Für die Autofahrer gibt es riesige Schilder, die auf die Pilger aufmerksam machen.
Ich sehe immer wieder Kreuze am Weg, von Pilgern deren Weg vor Santiago endete und es macht mich traurig und ich frage mich warum? Sie hatten wahrscheinlich keine Chance mehr anderen von ihren Erlebnissen zu erzählen. Was ist passiert? Ich verharre an den Kreuzen und verspreche ihnen, den Weg zu Ende zu gehen und an sie zu denken. Soviele jüngere sind darunter und ihre Familien lassen uns wissen, dass es sie gab.
Ja und langsam werden die Etappen weniger und die Kilometer schrumpfen... darüber will ich noch garnicht nachdenken, sondern alle Tage bis zum Schluss genießen.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen