Nach dem Frühstück starte ich heute erst 8.30 Uhr. Es sind schon muggelige 20°C, doch ein leichter Wind bringt Abkühlung. Die ersten Kilometer gehen am rechten Flussufer entlang, nochmals am Guggenheim vorbei, in die Vororte von Bilbao.
Erst kommen noch Wohnhäuser danach Industriebauten und altes Hafengelände. Überall wird gebaut und nur noch wenige Brachen sind zu sehen. Die Uferpromenade wurde mit EU- Mitteln großzügig angelegt. In riesigen Lagerhalle befinden sich Depots, Fitnessstudio oder auch ein riesiger Lidl - Markt mit überdachten Parkplätzen. Es ist faszinierend zu sehen, wie der Umbau gelingt.
So komme ich nach Getxo, wo eine Magnet- Schwebe- Fähre Mensch und Auto auf die andere Seite bringt. Ich stehe noch am Schalter und Versuche zu verstehen, wie ich ein Ticket ziehen kann, als mir schon ein älterer Spanier behilflich ist. Mit 55 Cent ist es ein sehr günstiges Übersetzen.
So gelangen ich nach Portugalete. Hier geht es steil in den Ort hinauf und dann ist der Weg kompliziert, durch mehrere Tunnel, an großen Straßen entlang und dann hupt es ...ich bin falsch und schon auf dem Schnellstraßenzubringer. Also zurück, das Navi an und weiter geht es. Ich sehe keine Pilger und keine offizielle Zeichen, nur hin und wieder einen gelben Strich.
Dann laufe ich auf einem breiten Fußweg und Fahrradstreifen in halber Höhe durch einen Talabschnitt. An dessen Ende sind dann wieder Pfeile zu finden.
Jetzt unterqueren ich die Autobahn und bis Kardeo geht der Rad- Fußweg weiter. Ich finde einen Brunnen und laufe erfrischt weiter. Plötzlich ist der Weg wegen Bauarbeiten gesperrt, doch ich ignoriere die Umleitung und gehe einfach weiter. Eine Baustelle sehe ich nicht, doch vorn sehe ich das Meer.
Ich komme nach La Arena und treffe Raimund am Meer auf einer Bank. Ich setze mich dazu, lüfte die Füße und esse etwas. Er will in Pobeña in die Pilgerherberge. Ich will noch 5 km weiter und hoffe dort ein Bett zu finden. Als ich die Treppe aus dem Ort erklimmen, kommen mir drei Pilger entgegen und sagen, dass die Herberge dort geschlossen ist. Mist. Also gehe ich zurück und ergattert noch ein Bett in Pobeña. Die Herberge ist schnell voll. In den umliegenden Bars gibt es nix vegetarisches und das Pilgermenü, dass es ab 19 Uhr gibt, klingt nicht verlockend. Ich bin mir nicht sicher, was ich mache. Müsli oder???
Später unterhalten ich mich mit drei Südtirolern und gehe mit ihnen in ein Restaurant. Ich bestelle das Übliche: Tortilla, Oliven und ein Glas Roséwein. Die Männer essen Salat mit Thunfisch und wir unterhalten uns angeregt. Doch 21 Uhr werden wir alle müde und gehen zurück. Ich gehe ins Bett und höre schon, dass es lustig wird. Links und rechts schnarcht es schon. Ich schlafe also wieder mit Ohropax und langsam bleiben sie auch drin. Hurra!
Morgens klingelt 6 Uhr der erste Wecker. Als dann vor dem Fenster gequasselt wird, stehe ich auch auf.
6.30 Uhr hüpfe ich in die Schuhe und laufe los. Ich will in Onton Frühstücken. Also auf den Camino und mit dem ersten Lichtstreifen über steile Stufen auf zu den Klippen. Die Sonne färbt den Himmel rot und der Weg ist wunderbar ausgebaut. Mein Herz hüpft vor Begeisterung .
Diese findet nach 2 km ein jähes Ende, denn der Weg ist komplett gesperrt. Langsam dämmert mir, dass es gestern ein Missverständnis gab: nicht die Herberge in Onton war geschlossen, sondern der Weg dahin.
Also zurück und die mir entgegen kommenden Pilger zur Umkehr bewegen. Ich gehe noch mal zur Herberge und zur Bar zurück und sage den Letzten auch noch Bescheid. Ein Teil hat es wohl schon erfahren und so rolle ich das Feld von hinten auf.
Nachdem ich ein paar Pilger überholt habe, bin ich wieder völlig allein. Ein Wegzeichen führt nach Kobaron ( ich denke, dass es der baskische Name für Oton ist) und laufe steil einen Berg hinauf. Oben bemerke ich den Denkfehler und laufe wieder den Berg hinab und unten begegnen mir die bereits überholten Pilger. Das ist wohl nicht mein Tag.
In Onton entscheide ich mich für den kürzeren Weg und laufe nun am Straßenrand der N 634, welche hier fast ausschließlich von rasenden Radfahrern benutzt wird. Der Asphalt ist ermüdend, doch die Blicke aufs Meer und die Berge sind schön. In den Hecken zwitzVögel und ab und an flitzt ein Salamander vor die Füße.
Vor Castro Ordiales geht der Weg endlich in die Küstenlandschaft ab und ist beschaulich. An Blumenwiesen vorbei führt ein schmaler Pfad in Bögen zur Stadt, die schon von weitem sichtbar ist
Dann laufe ich zur imposanten Kathedrale Santa Maria, die in ihrem Inneren durch Schlichtheit besticht.
Der Weg führt nun am Ufer weiter, vorbei an einem zweiten Badestrand und dann über kleine Pfade zurück zur N 634 und Tür A 8. Zwischen den Leitplanken führt ein Trampelpfad und hier ist stärker Verkehr mit vielen Rasern. Mechanisch laufe ich im Takt und will es nur hinter mir lassen.
So komme ich nach Isalares, wo auf dem Campingplatz übernachtet werden kann. Doch er ist schon voll. So hole ich nur frisches Wasser und gehe zum Pilger Hostel, dass auch voll ist. Nix mit Badetag.
Ich muss weiter. Inzwischen zieht Nebel in die Badebucht und führt zu interessanten Ansichten.
Es geht wieder an der Straße entlang und in meinem Kopf entstehen Bilder von Gelsomina in " La strada".
Die Zahl der Kilometer steigt und die nächste Herberge, eine kommunale, ist geschlossen. Na das läuft! Jammern hilft nichts, aber Wasser trinken immer, denn die Sonne steht hoch. Die N 634 ist heute mein Schicksal.
Kurz vor Liendo, an einer Rastbank treffe ich Reinhard, der alles gelassen nimmt. Ich mache also eine Pause und dann gehen wir zusammen nach Liendo. Die Herberge ist 1,5 km vom Weg entfernt. An der Straße ist eine Bar. Wir holen uns einen Kaffee und ich bitte die Barfrau mit Übersetzer, in der Herberge anzurufen, ob noch Platz ist, da sie nur 17 Betten hat. Sie ruft an und erfährt: Complett.
Zum Glück sind wir nicht hingelaufen! Was nun? Die nächste große Herberge ist in Laredo in 7 km! Ich bin ziemlich fertig und mein rechter Fuß krampft, aber es nützt nichts. Wir entscheiden uns jetzt weiter für die Straße, in der Hoffnung, dass es kürzer ist, als über den offiziellen Weg, der jetzt von der Straße wegführt. Ich laufe und halte die Hand raus, wenn ein Auto kommt. So fahren viele vorbei, mit Platz und ohne, doch 5 km vor Laredo haben wir Glück und ein Auto hält. Drin sitzt eine afrikanisch- stämmige Familie, die zusammenrückt und uns mitnimmt. Nur die Tochter spricht spanisch. Die Eltern nicht. Wir sind so dankbar, dass sie uns mitnehmen, denn wir sehen, dass wir noch zweimal hoch und wieder runter laufen müssten. Sie setzen uns in der Stadt ab und wir bedanken uns herzlichst
Fünf Minuten später stehen wir am Kloster und ich bekomme ein Einzelzimmer. Was für ein Glück, dass im Kloster getrennt wird und die anderen Frauen zu zweit unterwegs sind.
Abends ist ein wunderschöner Gesang beim Gottesdienst. Danach besorge ich mir etwas zu essen und sitze im Aufenthaltsraum. Hier komme ich mit Hannes (25) ins Gespräch, der sich eine Auszeit nimmt,Preisen möchte und nach einem neuen Plan für sein Leben sucht. Er aktiviert mir die Camino- App, sodass ich besser Herbergen und Wege finde. Mein Dank dafür kommt von Herzen.
Kai ( aus der Nähe von Erfurt) setzt sich zu uns und kommt mit ins Gespräch. Am Ende diskutiere ich mit ihm über Obdachlose, Ausländer und Integration. Er hat ziemlich krude Ansichten. Sein Dorf samt ordentlichen Bürgern, wo jeder jeden kennt und keine Männergruppen rumlungern, ist ihm heilig. Okay.
Es ist spät und so verabschiede ich diesen extrem anstrengenden Tag und bin Dankbar für den Luxus einer ruhigen Nacht.b
Übrigens habe ich heute das Baskenland verlassen und Kantabrien erreicht.
Ich schlafe so tief und fest, dass ich die Laude verpenne. Das Gegrummel auf dem Gang weckt mich 6:30 Uhr. Ich packe und die netten Schwestern spendieren uns noch Kaffee und Kuchen, bevor es in einen frischen, nieselregnerischen Tag geht. 15°C sind echt frisch und ich ziehe das erste Mal meine Wanderjacke an.
Der Weg führt entlang der Uferpromenade und das Meer ist berauschend.
Am Strandende setzen wir uns hin und warten...
...denn ein Schiff wird kommen und die Pilger nach Santoña übersetzen. Schnell verteilen sich die Pilger, denn der Weg führt an verschiedenen Bars vorbei. Ich laufe aus dem Ort, am riesigen Knast -Gelände vorbei und genieße meine Freiheit.
Nun geht es steil bergauf auf einem schmalen Pfad und teilweise muss ich kriechen. Dabei übersehe ich eine Stachelranke und verheddere mich. Nun zieren große Striemen meine Waden. Doch das trübt meine Laune nicht. Ich bin voller Elan und dankbar, dass meine alten Knochen nach dem gestrigen Gewaltmarsch sich erholt haben! Meinen besonderen Dank schicke ich an meinen Orthopäden, der die Knie wunderbar runderneuert hat.
Dann habe ich wieder einen bezaubernden Blick aufs Meer.
Nach diesem Spaziergang gehe ich in Noja " an Land" und setzte mich zum Mittagessen in eine Strandbar. Es gibt Mal wieder Tortilla, doch diesmal in einem halben Baguette. Das stecke ich für später ein.
Nun geht es den ganzen Tag über kleine Straßen in das hügelige Hinterland. Hoch, runter und mitten durch. Ich genieße es allein zu sein, mich nur nach mir zu richten, zu laufen wo und wie ich will. Es ist Luxus pur und mir fehlt nichts
Nachmittags komme ich in einer Herberge mit einer besonderen Geschichte an. Ich werde freundlich empfangen, bekomme eine Einführung in Deutsch und beziehe ein 8- Bett- Zimmer mit älteren Franzosen. Alles ist liebevoll und praktisch eingerichtet.
Ich dusche und befülle mit drei anderen Pilgern gemeinsam die Waschmaschine. Endlich Mal tiefenrein sauber. Das Internet ist sehr langsam, sodass ich ewig brauche, diesen Blog zu beenden.
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