Sonntag, 5. Mai 2024

Der Weg ist belebt


 Von Pasaia aus bin ich eine wunderschöne Etappe auf den Klippen über dem Meer nach San Sebastian gelaufen. Das Rauschen des Meeres, das zwitschern der Vögel, blauer Himmel und allerlei Blumen und Blüten am Wegestand, dabei Sonne über mir und im Herzen. So geht Pilgern. 


nix


Am Strand angelangt, gehe ich trotz frischer 12° bis zu den Knien ins Wasser. Zwei junge Pilger halten es im Bild fest ( natürlich wechselseitig) und wir führen ein kurzes, interessantes Gespräch über Pilgern, Herbergen und Preisen.


Ja, diese haben es in sich, wenn es keine kommunale oder kirchlichen Herbergen gibt. So wie heute, wo mein Hostelzimmer ( sehr einfach, es gibt nicht einmal einen Stuhl) mit 8 Betten schlappe 30€ kostet. Kein schlechter Quadratmeterpreis. Aber ich habe ja meine Lektion gelernt und nun werde ich laufen und schauen, was passiert. Finde mich ziemlich mutig, da doch recht viele Pilger unterwegs sind und ich immer wieder neue Gesichter entdecke.



Da bis zum Check - In noch viel Zeit ist, gehe ich zur Touristen-Info und besorge mir einen Stadtplan. Dann laufe ich kreuz und quer durch die Stadt und sie hat viel zu bieten. Neben drei großen Kirchen, ein großes Rathaus, schöne Strände, Jugendstilhäuser, jede Menge Pintos- Bars und viele Grünflächen. 





Vor dem Hostel sitzt Brahim aus Norwegen.Er hat sich gleich für 2 Nächte angemeldet, denn er will das Nachtleben genießen.

In meinen Zimmer sind sieben ähnlich junge Leute, die ich erst im Laufe der Nacht sehe, als sie zwischen 1 und 3 Uhr eintrudeln. An Schlafen war eh nicht zu denken, denn bis 3 Uhr wurde vor dem Fenster geklönt und die Musik dröhnte. Die geschlossenen Fenstern hatten keinerlei Schallschutz, so dass ich das Gefühl hatte, mein Bett steht auf dem Gehsteig. Also Musik hören, später Ohropax und irgendwie kam ich zu vier Stunden Schlaf.

Morgens verlasse ich im Dunkeln tastend leise das Zimmer und frage mich wieso.  Die Straße ist nassgrau wie der Himmel und zeigt noch die Spuren der Nacht. Alles ist geschlossen und so laufe ich ohne Frühstück los. 

Der Outdoor - Führer lockt mit einer wunderbaren Alternativroute, die ich in Angriff nehme. Steil bergauf in Serpentinen aus der Stadt hinaus. Nach ca. 45 min und schweißnass hindert mich ein breiter, hoher Zaun meinen Weg zu verfolgen. Überklettern geht nicht, er ist über zwei Meter hoch. Links ist Hang, rechts ist Abgrund. Die Vernunft siegt und so rolle ich das Pilgerfeld von hinten auf. Ich überhole viele mir unbekannte Gesichter.

Als der Regen einsetzt, helfe ich Sophie aus Frankreich beim Kampf mit dem Regencape und wir plaudern kurz. Wir stehen vor einem Bistro, das leider geschlossen hat. Den Kaffee hätten wir beide gern genommen. Dann gehe ich weiter, denn ich bin schneller unterwegs. Der Weg ist jetzt schön schlammig und es ist zwecklos sich vorzusehen. Die Schuhe bekommen die zweite Färbung- schlammbraun. 


Endlich hört der Regen auf und so kann ich den Blick wieder heben und sehe das Meer von oben, das das bleigrau gegen ein dunkelblau eintauscht.

Ich komme nach 10 km an einem Pilgerpoint vorbei, der von netten jungen Hospitaleros betrieben wird. In der Holzhütte brennt der Kamin und Antje und Maria sitzen schon drin. Ich bekomme einen Kaffee, Käsebrot und Omelett zum Frühstück. Alles läuft auf Spendenbasis und da gebe ich gern.

Draußen kommt ein Pilger und als er die Kapuze absetzt, schaue ich ihn verwundert an. Er sieht aus wie Thomas, den ich auf dem Frances getroffen hatte. Als er deutsch spricht, quatsche ich ihn an. Er verneint und meint sein Bruder kann es auch nicht gewesen sein, der interessiert sich nicht dafür. Wir finden es beide lustig. 

Ich laufe weiter bergab, sodass ich in Serpentinen jogge. Jetzt kommt die Sonne voll raus. Es geht unter der Autobahn in den Ort. In Orio sind es schon 20°C. Der Weg führt an der Kirche durch enge, mittelalterliche Gassen nach unten. 





Am Hafen geht es über eine Brücke und auf der anderen Seite steil nach oben, wieder unter der Autobahn hindurch. Die folgenden Kilometer sind ein ständiges auf und ab, vorbei an einzelnen Bauernhöfen mit Schafen, Eseln, Hühnern, Stieren und mageren Kühen. Jetzt ist viel Asphalt unter den Füßen, aber die Blicke auf das Meer entschädigen für alles.

Dann geht es wieder bergab nach Zarautz und ich wähle die schönere Variante (600m länger) am Campingplatz oben auf der Klippe führt ein Weg direkt nach unten zum Strand.


Von oben wird der Golfplatz direkt hinter dem Strand sichtbar und es wird gespielt. Ich ziehe meine Schuhe aus und laufe in die Wellenkante und gönne meinen Füßen ein Bad. Im Ort suche ich vergeblich einen Supermarkt. Nun sind schon 25°C.


Also weiter laufen. Hinter der Altstadt geht es steil bergauf. Für die Bewohner wurde ein großer Fahrstuhl installiert. Ich sehe mir die Steigung an und denke: Warum? Warum nicht? Ich fahre hinauf und spare mir 10 min Atemnot.


Oben geht es genauso steil weiter in die Weinberge. Dann geht es wieder bergab und der Blick streift übers grüne Hügelland,Weinberge und Meer. Es ist der Hammer! Ich finde den nächsten Wasserhahn und trinke auch hier meinen halben Liter. Es gibt heute wirklich viel Wasser. Erst von oben, dann im Wald zwei Quellen und jetzt schon der 4. Wasserhahn. Hunger ja, verdursten nein.




Dann zieht sich der Weg lange im steten bergauf und ab, um dann den letzten steilen Anstieg nach Askizu zu bewältigen. 


Hier steht eine pilgerfreundliche Pension, wo ich ein 3- Bettzimmer beziehe. Ich bin vor Antje und Maria da. Sie haben mich angekündigt und so sind wir zusammen im Zimmer. Als ich aus der Dusche komme, begrüßen mich Dimitri und Juri lautstark! Die sind wirklich lustig.


Nach der Pilgerroutine kommt das 1.Pilgermenü. Am Tisch geht es lustig zu: Australien, Holland, Italien und Deutschland sitzen zusammen. Mit Englisch, Händen und Übersetzter kommen wir uns alle näher. 21 Uhr gehe ich ins Bett und freue mich auf eine ruhige Nacht.


Nach einer herrlichen ruhigen Nacht auf einem " Fliegenfriedhof" stehe ich frisch- fröhlich auf. Das Frühstück ist dürftig, aber der Pilger nimmt, was man ihm gibt. Draußen treiben tiefschwarze Wolken am Himmel und werden vom stürmischen Wind weitergetrieben. Dieser Wind hält mich von der schwierigen, steilen Variante an der Steilküste ab,denn schon auf dem normalen Weg werde ich öfters fast umgeweht. Kein Risiko habe ich meinem Liebsten versprochen. So laufe ich straff durch die satt-grüne hügelige Landschaft und der Regen bleibt aus.

Es läuft sich herrlich und die Landschaft ist magisch mit den vielen kleinen Gehöften und den verschiedenen Tieren. Wie überall ist das Gras vor dem Zaun am Saftigsten. Natürlich gibt es auch wieder ein Stück Schlammweg und so verfärben sich meine Schuhe immer mehr. Egal, sie laufen sich super und nachher kann ich sie eh in die Tonne stecken.




Ich gehe ein Stück mit Florine, einer jungen Holländerin, die auch einen guten Schritt hat. Wir unterhalten uns auf Englisch und es geht jeden Tag besser. In Iziar ist die Kirche geöffnet und so genieße ich einen Moment der Stille und denke an meine Lieblingsmenschen. 

Unterwegs queren wir eine gesperrte Straße, wo ein Motorcross läuft und kurz danach am Zielpunkt eines Radwettkampfes. Hier spielen starke Muskeln mit dem Gelände. Nun laufe ich wieder allein weiter und lasse meine Gedanken fließen. Ein Reiter kommt mir entgegen. Was für ein schöner Anblick.




Danach geht es wieder extrem steil bergab auf Asphalt, sodass ich meine Jogging -Variante nutze. Ich laufe an einigen Pilgern vorbei und hinter mir ruft es " Hey Speedy Gonzales".



Ich bin schon mittags in Deba und hadere mit einer Entscheidung. Die örtliche Herberge sieht schön aus, hat einen guten Ruf und ist Preiswert. Die nächste ist knapp 5 km weiter, kostet doppelt so viel und die Meinung der Pilger ist schmuddelig. Auf Pilgermenü habe ich auch keine Lust, da mir dabei das Gemüse fehlt. Der einzige Vorteil, wäre, dass der Weg morgen zu dem von mir auserwählten Kloster nicht so weit wäre. Wie ich noch abwäge, kommt eine Nachricht von Juri. Er fragt ob ich da bin und es noch Betten gibt. Ich bejahe und so verabreden wir, das ich hier warte. Entscheidung gefallen und nun freue ich mich auf einen weiteren lustigen Abend.



Wir melden unser Bett an, dann gehen wir an den Strand. Unterwegs kaufe ich ein großes Stück Wassermelone. Heute wird mein Badeanzug eingeweiht, denn die Sonne lacht und so stürzen wir uns in die Fluten. Danach sitzen wir an der Promenade, beobachten das Leben, amüsieren uns, und plaudern nett.

Plötzlich wird es dunkel und kurz danach regnet es und alle flüchten vom Strand. An einer Bar stellen wir uns unter und in einer Regenlücke bewegen wir uns in ein Restaurant gegenüber der Herberge. Ich trinke Kaffee und die Jungs essen erst einmal baskische Küche. Es sieht sehr lecker aus, doch ich habe noch keinen Hunger, habe ich doch gerade mit Genuss meine Obstgelüste gestillt.

Gemütlich lassen wir uns treiben und dann checken wir in der Herberge ein. Ich habe ein Bett unten, in einer Nische. Insgesamt sind wir 16 Pilger oben. Unten ist auch voll und die noch ankommenden werden weggeschickt. Oh weh. Eine Küche gibt es hier leider auch nicht, sodass ich mein Müsli im Rucksack weiter tragen werde.


Meine Strategie mit früh loslaufen funktioniert, Mal sehen, ob es morgen auch klappt, denn die Etappe wird lang. Hoffentlich hält das Wetter.

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