In Paris habe ich einen wunderschönen Nachmittag/ Abend verbracht und bin tief in das " La Vie Francaise" eingetaucht, natürlich mit Pain aux chocolate und escargot de raisan. Das Hotelzimmer hatte die Größe eines Bettes plus Dusche vor dem Bett und WC hinter dem Bett. Der Preis war unter 100€, also ein Schnäppchen. Ich war überrascht, wie sich Paris für die Olympischen Spiele rausputzt. Überall entstehen mobile Stadien, sogar direkt hinter dem Eifelturm, dessen Areal man nur durch Sicherheitsschleusen und mit Eintrittskarte betreten kann. Die Preise wurden auch angepasst. Trotz Regen stehen jede Menge Souvenirverkäufer an den Ecken und beschwatzen die Touristen. Mein Wanderoutfit erspart mir diese Geschäfte, ich bin für die Verkäufer "unsichtbar." Sehr angenehm.
Da es wieder zu regnen beginnt kürze ich meine Sightseeing - Tour ab und bin schnell im Hotel.
Gestern weckte mich 6 Uhr der altertümliche, knarzende und scheppernde Fahrstuhl, der direkt neben meiner Tür / Bett hält und so bin ich schon früh am Bahnhof und bin ganz nervös, weil ich keine Infotafeln finde auf der die Bahnsteige ersichtlich sind. Ich atme tief durch, es sind noch 2 Stunden und kaufe mir erst einmal Frühstück. Dann setze ich mich in ein Bistro, lese und beobachte.
Eine Frau spricht mich an, es ist Asme aus Kenia, die auf den Camino frances will. Wir klönen ein bissel und ich merke, meine Duolingo- Lerneinheiten helfen. Bin so stolz auf mich.
Im Zug fahre ich durch dicke Regenschauer und komme auch im Nieselregen in Hendaye an. Ich laufe nach dem gelben Outdoor - Führer und verlaufe mich sofort, da ich eine " Unterführung" nicht mit einer Brücke gleichsetze. Ein Spanier eilt mir zu Hilfe und lotst mich zu einem Hotel, wo ich nicht hin wollte. Ich bedanke mich, frage Google nach einer im Führer erwähnten Kirche und finde sie. Von da laufe ich wieder richtig und merke, dass ich mich in die Beschreibung erst einmal eindenken muss.
Vor der Pilgerherberge steht schon eine große Schlange und ich bin die 16. Zum Glück gibt es 3 x 20 Betten, welche auch abends tatsächlich voll sind. Mich überkommt Panik, denn die nächste Herberge ist 18 km entfernt, hat aber nur 14 Betten und bis San Sebastian sind es 28 km. Eigentlich kein Problem, aber der Pilgerführer spricht von extrem steilen Gelände, Trittsicherheit, Gefahr bei Nässe... Ich vertraue nicht meinen Fähigkeiten, sondern lasse mich verunsichern. In San Sebastian gibt es keine Pilgerherberge und ich habe, wegen der beängstigenden Beschreibung erst für morgen ein Bett in einem Hostel im 8- Bett- Zimmer gebucht. Ich bin ziemlich nervös.
Pilgerlektion 1: Anreise am Feiertag ist ungünstig!
In der Herberge geht es lustig zu. Alle beäugen sich, schnuppern und bleiben für sich. Eine junge Frau wendet sich vertrauensvoll an mich und so lerne ich Angela aus Berlin kennen, die ihren 1. Camino läuft.
Da ich gestern nicht viel gegessen habe, kann ich sogar frühstücken. Es gibt zwei Pötte Kaffee, 1 Toast und 2 kleine Madleines für jeden.
Es regnet, ich ziehe kurze Hosen an, Regencape und los geht es. Frische 9° lassen die Müdigkeit verschwinden. Ich komme nach Hondarriba, der schönsten Stadt des Baskenlandes, doch es ist noch alles geschlossen und regengrau. Die Häuser sind wirklich sehr schön. Ich laufe am Parador- Hotel vorbei und gehe hinein, um mir den mittelalterlichen Bau kurz anzuschauen und mir einen Stempel zu holen.
Als ich aus dem Ort laufe, hört der Regen auf. Es geht steil bergauf aus dem Ort heraus. Dann komme ich auf die kürzere Variante und der Weg wird voller. Am Berg läuft es sich gut, ein bissel schlammig, aber machbar.
Vor mir sehe ich die Kirche Guadeloupe auf dem Berg und rechts das erste Mal das Meer. Ich komme klatschnass geschwitzt oben an und setze mich hinein, um die Losung zu lesen und ein Danke zu singen. Ein Stempel ins Heft und weiter geht es.
Nun gibt es zwei Varianten: eine am Hang und eine über den Kamm. Viele laufen die leichtere Variante, doch ich gebe mir die Kante und laufe steil bergauf, einen rutschigen, nassen, schlammigen Weg und so sind die Schuhe eingeweiht.
Der Aufstieg ist schweißtreibend, die Ausblicke aber einfach gigantisch. Es geht direkt über Pferdekoppeln und ich halte die Luft an und versuche den Bogen etwas weiter zu laufen. Sie schauen aber nur lethargisch und lassen mich ziehen. Ich überhole einige Pilger, freue mich. Als keiner in Sichtweite ist, jauchze ich, drehe mich im Kreis und bin einfach nur glücklich. Pilgerglück pur.
Oben auf dem Alleru stehen alte Wachtturmreste und es geht ein ganzes Stück hoch und runter auf geringem Niveau. Hier ist auch ein großer Parkplatz und ein paar Spanier begegnen mir wandernd.
Dann geht es steil bergab und ich muss schauen, dass ich nicht rutsche. Später führt eine Straße ziemlich steil nach Pasaia hinunter und ich jogge ( wie immer an steilen Straßen) in Serpentinen herrunter. Dabei überhole ich ein paar Pilger und habe die Lacher auf meiner Seite.
Pünktlich zur Mittagszeit bin ich in Pasaia und laufe zur Pilgerherberge. Ich bin die Erste am Ziel. Ich merke, dass ich mich völlig kirre machen lassen habe. Die nächsten 12 km würde ich noch schaffen, aber mein Bett habe ich erst morgen dort. Wer weiß wozu es gut ist. Langsam angehen, ich habe ja Zeit. Außerdem laufen heute viele vorbei und so entspannt es sich wahrscheinlich in den nächsten Tagen. Deshalb setze ich mich vor die Herberge in die Sonne. Nach und nach kommen weitere Pilger aus Korea, Japan, Kolumbien, Deutschland...Wir kommen alle ein bisschen ins Gespräch und 14 Uhr sind wir schon die 14 Leute, die hier heute ein Bett bekommen.
Ich habe sie alle irgendwie überholt, obwohl ich als Einzige hier über den Kamm gelaufen bin.
Allerdings ist die Kolumbianerin schon 80. Es gibt noch eine ältere Dame, alle anderen sind wohl etwas jünger. Brigitte (Jahrgang 53) läuft das erste Mal und erzählt mir, dass ihr Sohn sie mit dem Bus begleitet, weil er im Moment Hüftprobleme hat. Wir unterhalten uns nett und sie ist froh, dass ich bei ihr bin und ein paar Herbergs- Gepflogenheiten erklären kann. So beeilt auch sie sich mit dem Duschen, denn je eher desto sauberer sind sie bekanntlich.
Pünktlich 16 Uhr öffnet die Herberge und die Chefin erklärt, dass es nur 14 Betten gibt und schickt alle anderen in die nächste Herberge ( 1,5 Stunden zu laufen) oder in eine Pension im Ort zu ihrer Freundin Silvia.
Nach dem Duschen und Wäsche rauslüften Versuche ich ein bisschen vorzuschlafen, da die schnarchende Koreanerin auch wieder hier ist. Allerdings habe ich mir Ohrstöpsel besorgt.
Mit einem lauwarmen Kaffee und einem Müsliriegel setze ich mich in die Sonne und telefoniere mit Holger. Dabei genieße ich diesen herrlichen Ausblick.
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