Freitag, 21. Juni 2024

Die letzten Etappen

 Heute morgen ist es grau und ich laufe bis zu einer Bar, um zu frühstücken. Ich hänge mein Regencape griffbereit an der Rucksackgurt. Dann starte ich und finde den Weg, der mich "durch das Wasser" führt. Es beginnt zu regnen und als ich zum Cape greife, ist es weg. Merde! Ich laufe zurück und es liegt auf einem Schaufensterbrett. Dankeschön!



Am Ende des Weges soll ich abbiegen, doch ein Zaun versperrt den Weg. Also schaue ich auf die Karte. Weiter oben gibt es einen Pfad, doch bin ich mir nicht sicher, ob es dann weitergeht. Also laufe ich eine steile, alte Straße hoch und dann eine weitere steil auf den " Monte Branco", wo es richtig heftig zu regnen beginnt. 

Ich nehme nun den Wanderweg, der breit daherkommt, doch nach der nächsten Kurve wird er schmaler und dann wieder bewachsener, sodass ich knapp fünf Kilometer trockene Schuhe hatte.

Dann geht es ein Stück Straße entlang bis ich auf einen breiten Wanderweg laufen darf. Oben angekommen, will mich das GPS in die Büsche schicken, doch ich bleibe bei dem Regen auf dem komfortablen Weg.




So komme ich nach O Porto Cormo, wo ich eine Kaffeepause halte. Der Regen lässt langsam nach.

Auf einer asphaltierten Straße laufe ich zum Faro Roncudo und da eine Straße hinführt, begegnen mir tatsächlich zwei Reisebusse und zwei Wohnmobile.

Die Ausblicke sind schön und an einer Tafel werden die Schiffe aufgezählt, die hier zerschellten




Am Leuchtturm ist eine Wendeschleife und dann geht der Weg an der Küste weiter und ich bin allein. Der Pfad ist ziemlich schmal und ich klettere viel über kleine Felsen. Es gibt Augenblicke, da schaue ich lieber nicht nach unten. Der Wind bläst mir das Regencape vor das Gesicht, sodass ich es besser vorn verknotet, damit es sich nicht so aufbläht. Noch nieselt es leicht. Ich bin voll konzentriert und froh, dass ich die Stöcke habe. Die Blumen blühen in allen Farben und Schmetterlinge fliegen auf. Auch ein großer Raubvogel erhebt sich plötzlich in die Lüfte. Er war im Gestrüpp verborgen und ich erschrecke mächtig.





Dann ist der Weg wieder kaum sichtbar und die Füße suchen den Weg. Zum Glück hört der Regen auf.Gräser wickeln sich um die Füße und auch Steine lassen mich stolpern, sodass ich ganz bewusst die Füße setze. An einer besonders engen, krautigen Stelle kommt mir ein Spanier entgegen. Wir reden kurz in einem Mix aus Englisch und Spanisch. Er zeigt auf meine  zerkratzen Beine und meint der Weg wird bald besser. Nach der nächsten Kurve höre ich ein vertrautes Geräusch, eine Motorsense.







Mein Held des Tages. Nun ist die Schneiße des Weges breiter und trotzdem ist es nicht ungefährlicher. Das gemähte Farn und Gras verdeckt jetzt den Pfad und ich muss darauf achten, nicht daneben zu treten, denn links ist meist Luft. Ich setze bewußt die Stöcke und erst, wenn ich festen Boden drunter spüre setze ich die Füße. Später komme ich am Traktor mit dem Benzinvorrat vorbei und bin dankbar für den Einsatz.



Ich komme durch den kleinen Weiler O Roncudo, der aus wenigen Häusern besteht.




Von da geht es weiter zum Strand von Guxin. Der Weg dahin zieht sich, ist anstrengend und ich klettere teilweise über große Steine.




Als ich dort nach 13 km voller Konzentration ankomme, zittern mir die Knie, was schon etwas ungewöhnlich ist. Der Weg führt noch über einen weiteren Küstenrücken, doch ich will das Glück nicht heraus fordern und laufe auf einer kleinen Landstraße weiter. 

 
Plötzlich sehe ich über mir eine hohe Säule im Wald. Auf der Karte erkenne ich den Monte Faro ( der im Buch nicht erwähnt wird) , doch der nun bald sichtbare Wanderweg lockt mich nicht. Ich gehe die Straße weiter und dann kommt ein Schild und eine Straße führt hinauf. Das ist ein Zeichen. Ich mobilisiere meine letzten Kräfte und laufe hoch. Der Anblick ist alle Mühe wert.
 



          Für die Stufen reicht es dann aber nicht mehr!




Nach diesem Ausblick laufe ich direkt nach Ninoñs, wo die Hofhunde hinter jedem Tor grüßen.


Völlig geschafft komme ich bei Marina, meiner privaten Gastgeberin ( den Kontakt hatte ich von den beiden Frauen gestern bekommen) an. Sie stellt mir erst einmal ein Bier und ein Stück Melone hin, bevor sie mir das Zimmer zeigt. Das tut gut.



Ich bekomme heute Abendessen gekocht und meine Wäsche wird auch gewaschen. Was für eine Gastfreundschaft. Ich bin dankbar und begeistert.

 

Morgens werde ich von den Geräuschen im Haus geweckt. Ich packe und bekomme ein schönes Frühstück vom Herren des Hauses serviert. Mir Tostada, Joghurt, Obst und selbst gebackenen Kuchen.
Dazu ein Tortilla - Boccadillo, Wasser, Bananen und eine Orange als Proviant. Ein Rundum- Sorglospaket. Dann werde ich noch zum Strand, der 3 km entfernt vom Haus ist, gefahren. Die Leute sind wirklich nett.



Ich laufe los und es sieht heute nicht nach Regen aus. Was für eine Freude. Der Weg wird bald schmal und steil. Es geht über Felsen, teils senkrecht nach oben und dann ist der Weg wieder zugewachsen und verkrautet, sodass jeder Schritt konzentriert gesetzt werden muss. Ich klettere teilweise auf allen Vieren auf riesige Steinblöcke und mit 10 kg auf dem Rücken ist es sehr anstrengend. Ich bin froh, dass ich mich auf die Stöcke stützen kann, wenn ich über Kniehohe Felsen steigen muss.
Bald sehen ich mein erstes Ziel, den Faro Nariga.
Oben angekommen habe ich einen schönen Blick in die Weite, allerdings haben Himmel und Meer so ziemlich dieselbe Farbe und es ist keine klare Sicht.








Ich laufe weiter und es geht eine ganze Weile über ein felsiges Plateau, wo das klettern einfacher ist und dann geht es auf einem schmalen Pfad fast senkrecht wieder bergab. Ich quetsche mich und den Rucksack durch eine Felsspalte, später muss ich unter einem Brocken durchkriechen und dann suche ich mal wieder den Weg. Das ist alles ziemlich kräftezehrend. Ich finde ihn für die nächsten Meter, doch dann sehe ich nur noch Dickicht. Da der Empfang ziemlich mies ist, hilft mir das GPS nicht. Ich habe keinen Plan, außer, dass ich kein Risiko eingehe. Mein Körper sendet mir eindeutige Signale, es nicht herauszufordern.




Ich laufe quer durch das Gebüsch, weil ich eine Schneiße sehe, die mich zur Straße führt. Es nützt nichts, ich laufe die zweite Hälfte der "Nase" entlang der Straße und bin froh, dass ich einfach auf dem Asphalt geradeaus laufen muss und schauen kann, wie ich will, ohne abzustürzen. ( Wer hätte gedacht, dass ich mal glücklich über Asphalt sein werde!?😀).

Ich komme zum Strand von Barizo und hier liegt der Weg flach und breit vor mir. 




Es geht also weiter, noch 14 km bis zum Ziel. Inzwischen kommen mir ein paar Wanderer entgegen und ich frage, wie der weitere Weg ist. Sie sagen einfach, ein bisschen zugewachsen, aber sehr schön. Na das sind ja gute Aussichten. 

Es läuft sich wirklich besser. Kaum noch steile Anstiege, alles gemäßigt. Eine kleine Flussdurchquerung, eine längere Schlammpiste, aber alles nicht wirklich anstrengend. Ich genieße den Weg und die Ausblicke auf die vorgelagerte Insel Sisargas und die großen Schiffe auf dem Meer.







So komme ich zur Aussicht mit der kleinen Kirche San Adrian
 Hier kommt endlich die Sonne raus und ich setze mich auf eine Steinbank mit Blick auf Malcipa und am Horizont sehe ich die lange spanische Nordküstenlinie. Ich sinniere, wieviel ich davon abgelaufen bin.
 





Auf dem letzten Weg gibt es mehrere Quellen, doch es erschließt sich mir nicht, warum an dem Baum der Fonte de Navenllos Taschentücher und weiße Bänder hängen.
 



In Malcipa liegt die Strandpromenade vor mir und ich setze mich vor eine Bar, bevor ich mein Hostel suche.
 




Ich komme mit zwei Frankfurterinnen ins Gespräch, die Morgen den Camino dos Faros starten. Bei Kaffee plauschen wir und ich erfahre, dass ich schon vor dem Hostel sitze.

Ich checke ein und die Hostels der letzten Tage sind eine Zeitreise in die Geschichte der Eigentümer. Heute ist die Dame um die 80 und das Zimmer kommt plüschig mit Schleiflackmöbeln daher. Im Bad sind die Armaturen schon Mal erneuert, aber sonst ist alles original.


Die Dame ist etwas irritiert, dass Holger das Zimmer gebucht hat, aber nicht mit dasteht. Sie fragt mehrmals " Solo". Dann verwirrt sie, dass ich morgen nach A Coruña fahre und nicht starte. Als sie meine Credencial sieht, ist sie beeindruckt. Leider reicht dies nicht für ein Zimmer mit Meerblick. So habe ich Schachtblick und die Küchendünste der Bar steigen nach oben, als ich das Fenster öffne. Heute ist " Sardinentage", weil dieses Wochenende " Sant Juan" gefeiert wird.
Ich Google was da passiert und was soll ich sagen, in A Coruña ist bis zum 24.6. Party- Sommersonnenwende, und ich werde dabei sein. 
Ist doch ein würdiger Abschluss meiner Pilgerreise!

Ich setze mich an der Strandpromenade in die Sonne und genieße ein Radler. Die Frankfurter Frauen gesellen sich dazu und so unterhalten wir uns nett.
 


 

Das war meine letzte Etappe!

Nun noch eine kurze Statistik:

53 Tage unterwegs

48 Tage davon gepilgert

1250 km zurück gelegt = durchschnittlich 26 km/ Tag

Im Kopf ist gerade Gefühlschaos und ich brauche ein paar Tage, um es zu verarbeiten.

Gute Nacht!

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