Montag, 31. August 2015

Der Weg ist das Ziel?!?!

Mit Joachim verbanden mich noch zwei Etappen. Nach unserem Diner auf der Terrasse, schlief ich trotz der ungewöhnlichen Situation wunderbar und Madame Marie verwöhnte uns mit einem vorzüglichen Frühstück. Ja, ja die Franzosen haben das Frühstück " neu" erfunden. Mit "Madleins de Liverdun" im Rucksack starteten wir in einen windig-sonnigen Tag und brauchten 1Stunde  (bzw.5 zusätzliche Kilometer), bis wir der Wegbeschreibung der Autorin folgen konnten. Dann liefen wir vorläufig richtig und jeder hing seinen Gedanken nach.

Der Beschilderung folgend liefen wir.... ja es ist kaum zu glauben... an einem Abzweig in die falsche Richtung. So kamen wir nach Jaillon, wo wir pausierten und unseren Irrtum erkannten. So kann man aus einer 21 km Etappe ganz schnell eine 27km Etappe machen. Wir fanden wieder auf den Weg und lernten, dass jeder Satz bis zu Ende gelesen werden sollte und nicht jeder Muschelpfeil die richtige Richtung angibt! Trotzdem waren wir schon zeitig in Toul und schauten uns die Kathedrale St. Etienne an. Mächtig beeindruckend! Ich sah ein Plakat, dass anzeigte, dass die Kathedrale 22Uhr angeleuchtet wird  (spectacle lumiere) und freute mich. Aber in der Info erfuhr ich, dass es nur Mittwochs bis Sonntags ist. Ich bin ein Tag zu früh, oh wie Schade.
Wir bekamen ein Zimmer vermittelt und als wir das Zimmer im Hotel Central aufsuchten, saß der Schock tief! Einfach- verwahrlost- lieblos- dreckig! Für 49.70€ ohne Frühstück!!! Ich ging nochmal zu dem jungen Mann am Tresen, um Handtücher, Toilettenpapier und einen Besen zu ordern, damit das Zimmer benutzbar wird.
Nach der täglichen Pilgerroutine  (waschen, duschen, Haare legen), ging es zum Essen. Die Auswahl war überschaubar und da es französisch sein sollte, gingen wir in eine Creperie und bestellten uns Galettes ( Eierkuchen aus Vollkornmehl) mit Käse, Tomate, Schinken und Spiegelei gefüllt. Dazu Salat und Radler. Uns ging es gut!
Am nächsten Morgen füllten wir unsere Vorräte bei Spar auf, kauften in der Boulangerie was zum Frühstück und setzen uns in eine Brasserie zum Abschiedskaffee. Joachim läuft nun nach Le Puy und ich in dünn besiedelte Regionen nach Vezelay.
Mein Ziel war nun Vacouleur, wo einst Jean D' Arc loszog, um in Chinon dem König Karl VII zum Sieg über die Engländer und zur Krone zu verhelfen.
Der Weg ging wieder über Felder und 7 km auf einem Forstweg durch den Wald. Ich genoss die Ruhe und den Schatten, denn die Sonne meinte es mit 31 Grad
wieder gut mit mir.

Inzwischen bin ich mutiger mit dem Sprechen und habe mir getraut eine alte Frau um Leitungswasser zu bitten. Sie hat mich sofort verstanden und mir " Bon Courage" gewünscht. Inzwischen weiß ich, dass das der französischen Pilgergruß ist. Beim ersten Mal dachte ich die Frau gratuliert mit zum Mut so schlecht französisch öffentlich zu sprechen! Ja so kann ich mich irren. In Vacouleur war ich viel zu früh und so genoss ich ein Radler vor der Bar, buchte mir ein Zimmer im Office de Tourisme für den nächsten Tag und kaufte mir im Intermarche etwas für das Abendbrot und das Frühstück, denn die Übernachtung frisst mein Limit. Dafür ist das Zimmer sehr einladend und sauber.Daher ist Dinner auf dem Zimmer angesagt.
Als ich im Hotel eincheckte fragte mich der Chef ( er spricht deutsch)von wo aus Deutschland ich komme. Görlitz sagte ihm nichts und so erklärte ich ca.120km östlich von Dresden. Darauf er: Ah aus dem Osten, dann sind sie ein "Ossi". Oh ja dass bin ich! Aber dass es sich bis hierher festgesetzt hat, erstaunt mich schon!
In Vacouleur gibt es auch ein spectacle mit Jean D'Arc, aber nur Freitag und Samstag! Also auch wieder nicht, aber ich finde bestimmt noch eines.
Mit mir gleichzeitig kam ein "Marathon-mann" und seine Radbegleiterin mit einem voll beladenen Fahrrad an. Ich bewunderte den schweißgebadeten Läufer und vorallen die Radlerin und schnell merkte ich, dass ich deutsch sprechen kann.
Es sind Silke und Volker aus Kiel, auf ihrer Spendenpilgertour. Von ihnen hatte ich vor langer Zeit mal gelesen und war beeindruckt. Nun treffe ich sie in Frankreich und führe ein interessantes Gespräch mit Silke. Wen es interessiert, der kann unter: www. pilgerlauf.de die ganze Sache verfolgen und über Spenden für krebskranke Kinder und Jugendliche freuen sie sich natürlich auch.
Als ich auf mein Zimmer kam, hatte ich ein Problem. Meine Socken, die ich zum trocken auf die Fensterbrüstung gelegt habe, waren vom Winde verweht! Ich suchte, fand eine innen, zwei draußen auf dem Fenstersims und die letzte lag auf dem Fenstersims des Zimmers unter mir. Also ging ich zum Chef des Hauses, bat um Hilfe und bekam meine Socke zurück. Glück gehabt!

Dann kam eine relativ kurze Etappe nach Gronderecourt-le-Chateau. Da ich das Zimmer ohne Frühstück gebucht hatte, gab es ein Orangensaft und Müsli mit Banane aus dem Blechpott.
So stand ich schon 7.30. Uhr in den Startlöchern und folgte dem Weg der Jean D'Arc aus Vaucoleurs heraus. Das Wetter konnte sich noch nicht entscheiden, ob Regen oder Sonne, aber es war schwül, wie in der Waschküche! Ich erfreute mich an einer herrlich blau- violett blühenden Wiese und erkannte, dass es eine hochwachsende Sorte Klee war. Dann ging es in einen lichten Wald, wo ich mal wieder Rehen begegnete. Da ich mich jetzt im dünnstbesiedelten Teil Frankreichs befinde (10 Einwohner pro Quadratkilometer) und der Weg unmarkiert ist, bedarf es voller Aufmerksamkeit und Wortverständniss für den Wanderführer. Dass mir nicht alles immer so klar ist, wie der Autorin, haben ja die gelaufenen Umwege bewiesen. Trotzdem schweift mein Blick ab und ich zähle 9 verschiedene Blühpflanzen am Wegesrand. Wahnsinn, aber halt, müßte ich nicht mal abbiegen. Tatsächlich habe ich keine Ahnung wie, weit ich gelaufen bin. Also zurück. Nochmal die schöne Wiese und Freude darüber und ich habe nichts verpasst! Na prima, da kann ich beruhigt zurück gehen und die Wiese nochmals betrachten."Und täglich grüßt die Wiese!"
So habe ich schon wieder ein paar Kilometer mehr. Inzwischen hatte ich den " geteilten" Himmel über mir. Rechts schwarz und Regenschwanger, links blau und sonnig. Mir wäre ein Nieselregen jetzt ganz willkommen.
Weil ich so früh los bin, bin ich viel zu schnell. In Geranvilliers ist alles zu, Kirche, Bürgermeisteramt, alles hat Ferien. Ich setzte mich an den Dorfbrunnen in die Blumenrabatte ( es gab keine Bank, nur eine schmutzige Bushaltestelle) und aß mein Picknick. Sehr lecker. Eine Französin ( ca.40) kommt vorbei und spricht mich freundlich an. Ich erkläre meine Sprachbarriere, aber es hindert sie nicht weiter zu schwatzen. Einiges verstehe ich. Also reden wir französisch und händisch und es ist ganz lustig. Sie meint ich würde am Ende meiner Reise perfekt sprechen, denn dass was ich sage, wäre tres bon! Na wenn das kein Ansporn ist. Ich packe den Rucksack und ziehe weiter. Die Wolken sind weg und die Mittagssonne prasselt auf mein Haupt. Der Weg führt durch Felder, die alle schon abgeerntet sind. Kommende Boten des Herbstes.
In Abainville finde ich eine offene, sehr schöne Kirche und halte nochmal innere Einkehr und singe ein " Danke".
Ich bin schon am frühen Nachmittag am Ziel und finde mein Zimmer. Das Haus ist groß und alt und ehrwürdig. Dunkles Holz dominiert und die Zimmer sind voll schöner, alter Möbel, nur die Tapeten schreien zum Himmel.Ich habe ein großes, braun- grünes Ranunkeldekor, was sicher einmal ( in den 70 igern) rosa war. Toilette und Salle de bain in rose über den Flur. Die alte Madame ist sehr eigen, aber schon wieder lustig. Sie fragt, ob ich noch einkaufen gehe. Als ich bejahe, bekomme ich einen Beutel, eine Geldbörse mit 10€ und die Rabattkarte vom Supermarkt. Dazu die Einkaufsliste! Hurra, mit 51 gehe ich nochmal mit "Muttiliste" einkaufen. Dass ist schon schräg!
Abends gehe ich mit Silke und Volker in das einzige Restaurant im Ort. Ab 19.30
Uhr gibt es erst etwas zu essen. Typisch französisch: Pizza oder Dönerteller. Ich nehme letzteren und bestelle ein großes Radler. Das Wort groß betone ich, da es bisher immer nur 0.25l ( Holger würde sagen: homöopathiesche Dosis) gab. Die Kellnerin kommt mit einem leeren 0,5 Glas raus und fragt nach. Ich bejahe und als es kommt, schauen die Stamm-kunden ziemlich entsetzt.

Dann endlich fängt es an zu regnen und ich hoffe es kühlt sich etwas ab.
ÜBRIGENS: Hier im Ort 'gibt es ein Pferde-Museum.

Am nächsten Morgen stand ich früh auf, denn ich wagte mich an die längste Etappe des Weges, 37,7km durch karge Landschaften ohne Einkehr-möglichkeiten oder Läden am Weg. Dies bedeutet, dass mein Rucksack am Beginn der Tour ca. 18 kg wog, da ich 2,5l Getränke und etwas zu essen über den Tag mitschleppte!
Aber vorher gab es das wirklich 1. petit dejeuner! Kaffee, 1Croissant, Weißbrot, Magarine und eine Rhabarber-marmelade, welche mir nicht ganz koscher war. Also aß ich nur Magarine-
brot. Ich fragte nach dem Alter des Hauses und erfuhr, dass es von 1815 war. Es ist in 5. Generation in Familienbesitz und ihre Mutter hat schon Zimmer vermietet. Sie zeigt uns ( Silke und Volker sind dabei) alte Familienfotos und sagt, dass sie 80 Jahre alt ist. Sie bewirtschaftet das Haus allein.Respekt, denn es gibt wirklich viel zu tun. Der Frühstücksraum hat eine schöne Holzvertäfelung und einen großen Kamin. Der größte Teil der Einrichtung ist noch orginal und jedem Antiquitäten-händler würde das Herz rasen, wenn er das sehen würde.

Bei der Verabschiedung wurde sie dann ganz herzlich und riß meinen Hals zu sich runter und gab mir links und rechts ein Küßchen.
Ich lief los und hatte wieder ein Einstiegsproblem. Ich verfehlte den richtigen Weg und liess mich von den Franzosen beraten, verstand aber über die Brücke, statt vor der Brücke... es kommt wie es kommen muss: 1 Stunde später (5 km mehr) war ich auf dem richtigen Weg. Vom Himmel viel ein feiner Nieselregen und ich entschied mich für die Landstraße, da lassen sich vielleicht 2-3 km wieder einsparen und es ist nicht so matschig. Ich merkte, dass, wenn mich ein Auto in der Viertelstunde überholt, ich schon die Rushour erwischt habe. Hier ist wirklich nix los!
Ich kam gut voran und in Lumeville-en-Ornois sah ich meine erste öffentliche Waschanstalt ( was ich aber erst nach einem Telefonat mit Holger weiß, weil er es auf google sah) und dachte es ist eine Kneipp-Anlage. Im Wasser schwamm eine halb verweste  Ratte und in der Ecke lag ein toter Vogel! Kein schöner Ort, um zu verweilen.Also ging ich bis Chassey- Beaupre. In der Kirche fand ich ein trockenes Plätzchen und aß mein pain au chocolate. Ich fraß die Kilometer und pausierte nur noch kurz am Friefhof von Pansey, bevor ich die Landstraße verließ, um zum eigentlichen Weg zurück zukommen. Es ging nur nach Beschreibung wie: "laufen den Feldweg gerade aus bis zu einer Gabelung, dann links an einer wilden Deponie vorbei Richtung Westen..."
Bis Thonnance- les-Joinville hatte ich den richtigen Riecher und habe alle Unklarheiten klären können, aber dann kam eine Baustelle und somit eine Umleitung! Ich bin zur Kirche gekommen und dann musste ich fragen. Der Weg ging weiter und als ich wieder unsicher wurde, fragte ich einen Boulspieler nach dem Weg. Er geleitet mich über eine Brücke und zeigte mir den Weg nach links. Links ist nach meinem Führer richtig, aber den Radweg konnte ich nicht entdecken. Es kommt eine Schleuse und der Radweg- super! Dann kommt die erwähnte Brücke, aber der Bahnhof fehlt. Ich fragte einen Angler und erfuhr, dass ich in die falsche Richtung gelaufen bin! Joinville liegt 4 km in die entgegengesetzte Richtung. MERDE! Ich setzte mich auf die nächste Bank und aß mein croissant aux amonde, um mich zu beruhigen. Ich war inzwischen 38 km gelaufen. Was solls! Ab in die andere Richtung und rein nach Joinville! Ich finde das Office de Tourisme nicht, aber die Kirche. Innehalten und ruhig werden. Fragen wollte ich niemanden mehr, denn 44,1 km reichten. Ich telefonierte mit dem Pfarrer, aber er verstand mein Problem nicht und meine Nerven lagen blank und dann brach die Verbindung ab. Ich ging nochmals in die Kirche, um mich zu sammeln. Plan B musste her, also Bett suchen! Wie ich über eine Brücke ging, hörte ich meinen Namen. Silke winkte von einem Restaurant herüber und fragte wie es geht. Ich erzählte von meinem Dilemma und war ganz aufgelöst. Sie nahm mich in den Arm und erzählte, dass sie mir ein Zimmer reserviert haben und erklärte mir den Weg. Also noch ein paar Meter und ich stand vor einem bezaubernden Haus und es kam eine wundervolle Wirtin heraus. Valerie ist Schweizerin und spricht deutsch. Ich erzählte ihr von meinem Pech und sie führte mich in ein traumhaftes Zimmer. Ihr Haus ist aus dem 16. Jahrhundert. Liebevoll renoviert und eingerichtet. Am Ende eines solchen Tages ist das ein Geschenk. Davon gab es dann noch mehr. Silke schenkt mir Schokolade, weil ich so fertig war und Valerie Kuchen und einen Pfirsisch. Ich wollte nirgends mehr hin und habe alle Reste aus dem Rucksack aufgegessen. Nun kann die Nacht kommen.
 




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen