Freitag, 24. Juli 2015

Zwischen dem Traum und dem Ziel liegt die Tat" Roland Lindner ( Künstler)




Ja, ich tue es!!! Seit 15 Tagen lebe ich meinen Traum und auf der "Straße"! Es fühlt sich immer noch so gut an und ich komme langsam in die "Pilgerroutine". Das Leben besteht aus schlafen, essen, laufen.... Mit dem Schlafen habe ich erstaunlicherweise wenig Probleme. Zwar ist der Schlaf dünnhäutiger geworden und jedes Geräusch lässt mich kurz erwachen, aber auf meine 8 Stunden Schlaf komme ich immer. Das Essen ist für mich immer noch nicht so wichtig, dass ich mir schon früh Gedanken mache, was abends sein wird. Ich bin nach wie vor nicht bereit mein Essen über 30 km mitzuschleppen und vertraue darauf etwas zu finden. Am Wegesrand gibt es immer Kirschen, Mirabellen und Johannisbeeren, sodass Obst immer auf dem "Tisch" steht. Sollte ich mich verkalkulieren bleiben mir immer noch Müsliriegel und Nüsse. Jetzt habe ich eine Pilgerin getroffen, die Müsli dabei hat und dies mit heißen Wasser brüht. Dass ist mal eine Alternative zu meinem Frühstück und auch nicht schwer! Also Abwechslung!
Ja und das Laufen, das Laufen ist einfach herrlich. Der Blick streift über sich verändernde Landschaften, weite Felder, dichte Wälder und der Geist schweift in die Ferne oder blickt zurück und ich habe ständig gute Laune! Verlaufe ich mich, ja das kommt vor, gehts zurück oder anders weiter. Was solls, ich habe ja nix anderes zu tun, als zu laufen. Verrückt.Regnet es in Strömen, denke ich, ja was für ein Glück. Kein Hagel oder Blitz!
Meine neuen Schuhe sind super, meine geschundenen Füße haben sich erholt und nur 2 blaue Zehennägel halten die Erinnerung wach. Die 2. Tube Fuß creme ist verbraucht und sie tragen mich und mein Körper hält zu mir. Das ist eine gute Erfahrung. Der Rücken hat sich an die 15 kg gewöhnt! Jetzt höre ich die erfahrenen Pilger schreien:"15kg- ist zuviel!! Du musst dich beschränken!" Ja, ihr habt recht! ABER, so ist es im Moment gut für mich! Ich brauche meine "Sicherheitsunterhose", wenn mal was nicht trocken ist! Und ich kann es tragen, selbst nach 36km ist noch alles gut!
Es ist für mich jeden Abend ein tolles Gefühl, wenn ich sehe wie weit ich schon gekommen bin. Lustig ist, wenn ich bei der Schlüsselübergabe gefragt werde, wo ich herkomme. Antwort: Aus Görlitz. Ja, aber woher wirklich? Aus Görlitz, ich wohne da. Dann ein erstauntes Lächeln. Dann: Wie weit gehst du noch? Bis ans Ende. Vacha?! Nein weiter, bis Santiago. Ungläubiges Schmunzeln: Ja klar, aber nicht an einem Stück! Doch, bis Weihnachten! Oh und ein noch ungläubigeres und verunsichertes Staunen erhellt das Gesicht. Dann kommen gute Wünsche für einen guten Weg. Diese Reaktionen erfüllen mich mit Freude und mit Stolz.
Übrigens habe ich das erste Schmunzelgesicht verschenkt. Ausdrücklich NICHT aus Gewichtsgründen! Er blieb bei Cindy und Roland, die so liebe Gastgeber waren. Obwohl der Wecker morgens 4.30 Uhr klingelte, haben wir bis 22.30 Uhr auf dem Balkon geschwätzt. Dabei bekam ich Einblick in ihren Alltag und habe erfahren, dass es nicht immer leicht ist, die Arbeit vor der Tür zu lassen. Ja und für diese schweren Momente ist der Stein gedacht! 
Aber nun noch den Kurzbericht der letzten Etappen bis Erfurt.
Von Leipzig ging es morgens los in Richtung Merseburg. Die Sonne meinte es wieder sehr gut mit mir und beschien mir kräftig den Weg. Auf dem Weg zum Auwald begegneten mir nacheinander drei Tagesmütter, welche ich freundlich begrüßte. Eine leichte Wehmut überkam mich. Die Strecke ist herrlich, Auen, Felder, Wald alles sehr fußfreundlich. Die Dörfer freundlich verschlafen und menschenleer. Die Dorfkirchen abgeschlossen. Willkommen in Sachsen-Anhalt!
In der " Samariterherberge" ( ein Behindertenprojekt) bitte ich um Wasser, damit die nächste Strecke nicht zu trocken wird. Herr Engelmann ( der Name ist Programm) bietet mir nicht mur Wasser sondern auch Tortellini mit Käse-Schinken-Soße und ein interessantes Gespräch über Inklusion, Schule, Bildung und Modelle in Skandinavien. Danach geht es gestärkt weiter. Die Sonne brennt und ich laufe endlos am Raßnitzer See. Es riecht total herrlich und ich entdecke Thymian, Schachtelhalm, Hirse?
Nach einem Irr - und Umweg komme ich in Merseburg an und erfahre, dass der Schlüssel für die Herberge- in der Kirche vergeben ist und so setze ich mich vor die Kirche und warte. Nach dem langen Marsch lege ich die Beine hoch und lese. Eine Frau kommt vorbei und gießt auf dem Friedhof. Wir plauschen kurz und ich errege ihr Mitleid. Sie gibt mir spontan ihre Adresse und sagt, wenn ich nicht rein komme, dann kann ich bei ihr schlafen. Oh wie nett. 19 Uhr rufe ich den Pfarrer an und er lässt  mich ein, denn die Pilgerinnen tauchen nicht auf. Auf der Empore schlafen- ich bin begeistert. Liege mit Altarblick! Ich kann es nicht lassen und singe leise und falsch " Donna nobis pacem". Es klingt erhaben. Ich bin begeistert und schlafe wunderbar.
Am nächsten Morgen besichtige ich den Dom, bevor es nach Freyburg geht.Der Weg ist wieder herrlich, durch einen wunderbaren Stadtpark, Wald und Marschland geht es bis nach Reipisch, wo es eine interessante Bruchsteinkirche mit herrlicher grsu- blauer Holzausstattung gibt. Nach dem Dom wirkt sie wie eine " Puppenstube", mit Miniorgel und statt eines Altars hängt oben eine Kanzel. Dieser Form von Kirche begegne ich zum ersten Mal. Danach wird der Weg bedrückend. Betonpiste, 4 km gerade aus in brütender Hitze. Als ich den Wald erreiche bin ich happy, aber der einsetzende Fliegen- und Mückenangriff lässt die Freude schnell verrauchen und ich bin froh wieder auf der Strasse zu sein. Freyburg ist erreicht! Das Pilgerquartier ist lustig! Über einer Autowerkstatt.
Im Zimmer standen zwei NVA- Doppelstockbetten mit frischen Bettlaken. Es gab auch eine heiße Dusche. Also als Pilgerquartier gut, nur fuhr morgens der Zug "durchs " Zimmer, weil dahinter die Gleise waren. Nach Freyburg kam Luigi, um 2Tage mit mir zu pilgern. So liefen wir am nächsten Tag zusammen über Naumburg nach Punschrau. Die Etappe war wunderschön, Weinberge, Flussauen und Kindheitserinnerungen von Luigi. Das Essen kam auch nicht zu kurz. In Punschrau hatten wir die Herberge für uns allein. Luigi erbettelte bei der Nachbarin Nudeln und ich bereitete aus den Resten einer Kinderfreizeit eine leckere Soße. Dazu gab es eine Flasche Müller Thurgau aus der Saale- Unstrut - Region. So schön kann pilgern sein. Der folgende Tag wurde dann zur Belastungsprobe. Von Punschrau wollten wir nur nach Buttelstedt, aber da es dort kein Bett für mich gab, musste ich bis nach Stedten. Luigi, als Kavalier, begleitete mich bis zum Schluss und die Tour zog sich auf satte 37,7 km, wobei wir auf den letzten 7 km von einem heftig platternden Landregen begleitet wurden .Nach kurzer Zeit war der Wasserstand in den Schuhen messbar. Luigis Stimmung war unter Null und ich freute mich, dass es nicht hagelte, donnerte oder blitzte. Seine Laune konnte auch die Idee eines Straußenei- Omeletts nicht aufbessern. Erst in Monis Kneipe, bei Spiegelei mit Kartoffelsalat und Bier fand er die Sprache wieder und zeigte ein zaghaftes Lächeln. Die Herberge war diesmal im Glockenturm der Kirche wunderschön untergebracht. Bei Kerzenschein saßen wir im Kirchenschiff und warteten auf Luigis Abholung.
In der Herberge lerne ich Julia, eine 26 jähriger Studentin kennen. Mit ihr bestritt ich die Etappe bis Erfurt. Sie hat meinen Weg wunderbar entschleunigt und ich bin schon fast geschlendert. Es war schön mit ihr zu plaudern und mit ihr zu schweigen. Unsere Wege trennten sich am Augustinerkloster. Sie übernachtete da und ich ließ mich von meinem Schulfreund Andreas abholen, bei dem ich einen Ruhetag einlegte. Abends bekam ich von ihm und seiner Frau eine kleine Stadtführung mit einem leckeren Abendessen in einer Kneipe. Heute habe ich den Ruhetag mit dem Besuch des Domes, des Augustinklosters und der alten Synagoge gefüllt. Erfurt hat eine wunderschöne Altstadt und gefällt mir ausnehmend gut. Mein kulinarisches Highlight war der Besuch des " Werkstatt- Cafes". Ich schwelgte in einer heißen Schokolafet, wo " der Löffel drin stand", dazu genoss ich einen Schokoladen- Himbeer- Cake. Als Probe des Hauses gab es ein Stück zartschmelzende Canache mit weißem Nougat und Walderdbeeren. Meine Geschmacksnerven tanzten Walzer! Um es noch zu toppen, aß ich eine Kugel Pistazie- Nougateis und eine Kugel Zitronensorbet mit Minze. Gekrönt wurde dies mit einem " Brückentrüffel".
Ich hatte heute an einem Laden gelesen : " Alles um ihr schönes Leben schöner zu machen". Ja dass ist mir heute trefflich gelungen! Den Abschluss meines Schlemmertages bereitete mir Petrus, ein Freund von Andreas, der für uns alle fränkische Spätzle kochte. Dazu gab es Salat und Wein und wir saßen gemütlich im Garten und unterhielten uns total angeregt bis tief in die Nacht. So gefällt mir das Pilgerleben, doch morgen geht es weiter nach Gotha!
Buen Camino! Bruni








Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen