Dienstag, 29. September 2015

Holger hat Geburtstag

7 Uhr klingelte der Wecker im Bungalow und es gibt weder Kerze noch Kuchen beim Aufstehen, denn wir hatten uns am Ort vorbeibewegt. So richtiges Geburtstagsfeeling kam um diese Zeit bei Holger nicht auf und er tat mir echt leid, aber ich war froh, dass ich heute bei ihm sein konnte.
Also packten wir die Sachen und liefen ins Dorf. Die Kirche war offen und ich entzündete für Holger eine Kerze und sang ihm ein Geburtstagslied, was gut in der Kirche hallte.
Dann kauften wie Croissants und suchten uns eine Brasserie, wo wir frühstückten. Frisch gestärkt marschierten wir bei herrlichsten Sonnenschein auf der " route Napoleon" 15 km geradeaus nach Sorges, wo ich als Geburtstagsüberraschung einen Tisch am Mittag ( abends ist es geschlossen) in einem Nobelrestaurant  bestellt habe.
Die Strecke ist trotz Kürze nicht ohne, denn alles ist Asphalt.
In Sorge verabschiedete sich Luc von uns, denn er möchte bis nach Perigeux laufen, um Philipp, dem Schnarcher, zu entkommen. Das war für ihn der Horror.
Wir sagen also Adieu und ich weiß nicht, ob wir uns auf dem Weg noch einmal begegnen, aber ich weiß, dass wir uns nochmal wiedersehen. Die Zeit mit ihm war sehr lustig und angenehm. Jetzt ist Holger noch eine Woche bei mir und
wer weiß, wer mir dann irgendwo über den Weg läuft.
In Sorge gingen wir zum Office de Tourisme und besorgten uns ein Chambre d hotel, denn auch wir wollen kein Schnarchkonzert.Ein Zimmer mit Bad ganz allein für uns! Welch ein Luxus auf dem Jakobsweg.
In der "Auberge de la truffle" schaute uns der Chef ( im Anzug) etwas pikiert an (wir in Wanderschuhe, Sporttrikot und kurze Hose), aber er führte uns zum reservierte Tisch. Als Apperitiv empfahl er uns einen Champagner mit ein bischen Whiskey und Erdbeersaft. Als wir ihn und ein Menü bestellten, wurde er zugänglicher und als Holger erzählte, dass ich fast 2200 km zu Fuß gepilgert bin, zollte er mir Respekt und ich glaubte, nun war unser Outfit gerechtfertigt. Ich brauchte den Geburtstagsjoker nicht ausspielen, obwohl ich es kurz überlegte, denn der Kellner sang einer älteren Dame ein Geburtstagslied.
Das Essen, ein 4 Gangmenü vom Feinsten war köstlich und wir tranken dazu eine Flasche Bordeaux. Das war mein Geschenk an meinen tollen Mann, der trotz lädierter Füße bei mir blieb und tapfer mit mir weiter läuft. Ja und ich hoffe, dass bleibt die Einzige Pilgerkassenplünderung, denn sonst muss ich die nächsten Wochen hungern!
Schließlich gibt es einen Tagesetat, der seit Luc von den gelaufenen Kilometern und dem Wetter abhängt. Danach müsste ich heute noch 35 Regenkilometer oder 52 Sonnenkilometer laufen!!! Aber Ausnahmen bestätigen die Regel! Auf jeden Fall werden wir diesen Geburtstag nicht vergessen.



Holger kommt,

heut ist der Tag am dem Holger kommt...
Ja es ist soweit, Holger hat sich auf den Weg zu mir gemacht und uns trennten nur noch 2 Etappe.
Von Cluis ging es den direkten Weg über ein wunderbar, langes, nicht mehr genutztes Eisenbahnviadukt nach Crozant, was hoch über dem Zusammenfluss von Creuse und Sedelle liegt. Eine alte Schlossruine thront über dem Wasser und davor steht ein Schild, dass Santiago 1613 km anzeigt.

Die städtische Herberge gehört zur Kategorie " lieblos", aber dort treffen wir einen holländischen Pilger( Barth, 55), der auf dem RÜCKWEG von Santiago ist. Er ist am 9. März zu Hause gestartet und am 5. Juli in Finistere angekommen und meinte, mit Zug, Bus oder Flugzeug zurück, fühlt sich nicht richtig an! Er hat seinen Job gekündigt und hat sich am 6.Juli ( mein Startdatum) auf den Rückweg gemacht. Vollkommen verrückt! Aber sehr interessant.
Abends koche ich Pilgerbratkartoffeln ( mit vielen Eiern, Speck und Käse überbacken) und Luc wäscht ab, Arbeitsteilung wie zu Hause!

Der nächste Tag ist herrlich, es regnet nur eine knappe Stunde und der Weg ist wahrhaftig malerisch. In Crozant ist die Wiege der impressionistischen Malschule und am Weg sind die Entstehungsorte mit Kunstwerk gekennzeichnet. Das Tal der Sedille ist wunderschön. In Chapelle-Balone hat eine Schottin ein gemütliches Cafe und wir genossen bei Tee eine leckere Schokoladentorte.

Über schöne Wanderwege ging es über üppig grüne Wiesen und herrlichen Hohlwegen nach La Souterraine, wo wir fast gleichzeitig mit Holger eintrafen. Wann hat mein Herz das letzte Mal so aufgeregt geklopft? Ich sah Holger an der Straße stehen und fiel ihn in die Arme. Oh es ist so schön, dass er da ist. Ich stellte ihn Luc vor und dann gingen wir spazieren, denn die Unterkunft war erst ab 17.30 offen. Wir entdeckten Samstags eine Stunde vor Ladenschluss eine Schusterin und konnten sie überreden unsere abgelaufenen Schuhe neu zu besohlen. Als sie hörte, dass wir nach Santiago laufen, lies sie alles andere liegen und begann.

So gingen wir auf Socken in das benachbarte Bistro und tranken etwas,bevor wir sie abholten. Es ist so herrlich diese Begeisterung mit zuerleben, die Andere für mich an den Tag legen.
Dann bezogen wir unser Chambre und es war ein Pilgerzimmer mit drei Betten. Luc versuchte uns ein Doppelzimmer zu besorgen, aber es war alles voll. Er machte freche Späße und so nahmen es alle lustig. "Wir machen keine Menage a droite, sondern eine Pelerinage a droite!"
Abends saßen wir alle in einem großen Eßzimmer und bekamen ein wundervolles Menü von unseren englischen Gastgebern mit Franzosen, Engländern, Luc und uns. Das ist Europa!

Am nächsten Morgen war herrlichstes Wetter, das Frühstück war königlich und die Etappe nicht allzuweit, sodass Holger das Pilgerleben als sehr komfortabel empfand. Der Weg führte über kleine Landstraßen und Wanderwege über satte, grüne Weiden, wo das "boef- limousin", die hiesige Delikatesse, weidet. Diese Rinder haben einen schönen warmen Braunton und sehen recht freundlich aus.

So richtig konnte ich diesen Tag aber nicht genießen, denn ich hatte Bauchweh und eine verkühlte Blase, sodass ich häufig in den Büsche verschwand, was für Spott sorgte.
Unser Ziel Benevent- l' Abbaye erreichten wir schon nachmittags. Wir besichtigten die Kirche, tranken Kaffee und bezogen unsere Pilgerherberge, die spartanischer war, aber eine wunderschöne Terrasse mit Blick auf die Kirche hatte.

Der nächste Morgen war wieder sehr
sonnig und unser Weg führte uns in die Wälder und auf Bergrücken. Dazwischen immer wieder Weiden. Auf 722m geht es rauf, bevor wir zu unsere Herberge abstiegen. Diesmal ist es eine Herberge auf einer Farm und es ist ganz idyllisch.
Ich schob zwei Betten zusammen, um Holger an meiner Seite zu haben. Luc stellte noch den Paravent dazwischen und lästerte.

Nach getaner Arbeit saßen wir im Garten in der Sonne unterhielten uns und Holger las die "Zeit".

Am folgenden Morgen war der Himmel grau und ich konnte mein neues Regencape ausprobieren. Ein viel trockeneres Gefühl, was mich sehr erfreut. Das Frühstück war extrem
"petit" und so stand der Tag für Holger unter keinem optimalen Stern. Vor uns lag eine 34 km Etappe und er hatte  schon die ersten Blasen zu versorgen. In Le Chatenet-en-Dogon kauften wir beim Bäcker etwas zu essen und gingen in den Tabac, um etwas dazu zu trinken, denn Picknick- Wetter war nicht. Dann ging es weiter über Landstraßen und Holger humpelte stark. In Saint- Leonard-de-Noblat überzeugten wir Holger für die letzten Kilometer ein Taxi zu nehmen und unsere Rucksäcke mitzunehmen. Gesagt, getan. Luc und ich liefen erleichtert bis zu unserer Herberge und waren froh als wir dort eintrafen. Holger war weniger froh, denn die Herberge ist eigentlich urgemütlich mit alten Balken und Kamin, ABER der Schlafboden ist der Hit! Uralte Metallbetten und Matratzen, dazu ein muffiger Geruch . Der Hygienebereich verdient das Wort Hygiene nicht.

Mich hat der Pilgeralltag abgehärtet und solange ich Desinfektionstücher bei mir habe, ist alles gut.
Das Abendessen kommt und erfordert noch etwas Eigeninitiative, aber die Männer, 2 junge Franzosen, Luc und Holger drängten in die Küche, sodass ich mich an den Kamin verzog und das Öffnen des Weines kümmerte.

Als es dann ans Schlafen ging, zeigte mir Holger tote Kellerasseln, die an meinem Laken hingen. Da war es mit meinem Zweckoptimismus vorbei! Ich schüttlte das Laken aus, legte das Regencape über das Kopfteil und die Isomatte aufs Bett und verkroch mich bis zur Nasenspitze im Schlafsack. Durch die Wärme juckte es mich schon nach ein paar Minuten überall. Ich konnte nicht schlafen und lauschte dem vielschichtigen Schnarchen der Männer und hoffte die Nacht ist bald vorrüber.
Holger schaute nach seine Blasen und die sahen übel aus! Die kleinen Zehen waren nur noch Blase! Trotzdem lief er tapfer nach Limoges. Es waren nur 11km, aber fast alles Asphalt, was es nicht besser machte.
Wir setzten unsere Rucksäcke bei den Schwestern von Assisi ab und machten einen Stadtgang. Dabei hatten wir jeder unser Deja-vu- Erlebniss, dass wir hier schon einmal waren.
In der kleinen Fleischerkapelle entdeckte ich die elektrische Opferkerze. Wie Umweltbewusst doch die Franzosen sind. Die Frage ist, ob eeiß oder bunt!


Wir versuchten vergeblich neue Schuhe für Holger zu finden, aber die Franzosen sind nicht wirklich große "Radonneurs".
Die Schmerzen, das letzte Quartier, die Straße, alles dämpfte Holgers Freude und er stellte fest, dass pilgern nicht sein Ding ist. Ich finde es schade, kann ihn aber verstehen. Umso mehr bin ich dankbar, dass er nicht gleich nach Hause fuhr, sondern einen Pausentag einlegt und dann mit dem Zug hinterher kommt. Vielleicht geht es dann besser.
Also startete ich mit Luc allein in einen sonnigen Morgen bei 5 Grad! Nachts ist es schon richtig kalt. Die Schulkinder die uns begegneten, waren schon dick angezogen und auch ich lief in langen Sachen los, zog aber Mittags den Pullover wieder aus. Wir kamen flott voran, obwohl es immer wieder hoch und runter geht ( abends haben wir über 1000 Höhenmeter auf 30 km gemacht).

Wir passierten kleine Dörfchen ( meist nur 5 Häuser) und die Architektur verändert sich merklich. Die Häuser sehen südländischer aus, also mehr quadratisch, sind aus weiß- gelben Steinen mit dunklen, dicken Holzrahmen und die Dächer sind mit verschiedenen Dachziegeln " geschüppert" gedeckt.( Sachsen wissen was ich meine, ich finde kein anderes Wort dafür.)
Wir verpassten in Auxe-sur-Vienne uns etwas zu essen zu kaufen und als wir es merkten, war es zu spät. Also beschwatzte Luc einen Mann, uns ein paar Tomaten aus seinem Garten zu verkaufen und er schenkte sie uns. Ich fand über einen Gartenzaun hängende Weintrauben und Äpfel. Brot und Studentenfutter hatten wir und so verhungerten wir nicht.
In Flavignac teilten wir uns die winzige Pilgerherberge mit einem französischen Paar, dass auch nach St. Pied läuft und der Sprachenmix war wieder herrlich. Die Herberge besteht aus einem Zimmer von ca 3x3 Metern und es gibt zwei Doppelstockbetten. Alles ist klein, aber die erste " Municipal"(städtisch) die sauber ist. Dies haben wir der Inhaberin eines kleinen Delikatessen-Ladens zu verdanken, die mit ihrem Mann ein Herz für Pilger hat. Sie bietet Pilgern Abendessen und Frühstück in ihrem Wohnzimmer an. Dass sind die Menschen und die Abende die ich so genieße.
Ich telefonierte mit Holger und er hat neue Schuhe und eine schöne Herberge bei dem " maison dicesaine" gefunden. Alles wird gut!

Die Nacht war sehr lustig, denn Luc schnarcht ja gemäßigt, aber Philipp brachte ein 2- Tonarten- Schnarchen zu Gehör, dass schon Seltenheitswert hatte. Ich staunte über meine Abgeklärtheit, denn ich schlief jedesmal wieder lächelnd ein, wenn er es zu sehr intonierte!
Luc war genervt und so kamen wir früh in die Pötte und liefen nach La Chalus, wo viele Türen mit dem Wappen oder Konterfei von Richard Löwenherz verziert waren, der hier an den den Folgen eines Giftpfeiles starb. Im Zentrum selbst war Wochenmarkt, wo wir ein frisches Picknick etwarben, welches wir erst 10 km später verzehren konnten, da vorher keine Bank zu finden war. Diese war an einem See und sehr idyllisch, so dass sich der Weg gelohnt hatte.


Inzwischen habe ich das " Limosin" hinter mir gelassen und bin im "Perigord vert" angekommen und es macht seinen Namen alle Ehre. Mich umgibt ein sattes grün. Wälder, Weiden und Maroni-Bäume-gesäumte Wege. Zu unseren Füßen ein praller Igelteppich voll braun glänzender Maronen.
Auf den Waldwegen knirschen die Eicheln unter den Schuhen und am Rande standen viele Pilze.
Es gibt noch ein "Perigord noir" (dunkelgraue Felsen bei Sarlat) und das "blanc" ( helles Kalksteinplateau bei Perigeux). Die Werbebranche hat noch das "rouge" erfunden ( vom Rotwein).
Noch 10 km trennten uns von Herberge und Holger und als wir ankamen, sah Holger optimistisch aus, was seine Füße betraf!
Die Herberge wird von einer lustigen, singenden holländischen Hospitalera betrieben. Sie ist 2012 den Jakobsweg gelaufen und sie lässt er auch nicht mehr los. Sie wandert und zieht mit ihrem Wohnmobil am Weg und in der Welt herum und schiebt Dienst. Herrliches Zigeunerleben. Abends kocht Hennie uns ein leckeres Essen und wir klönen ziemlich lange. Ihren Leitsatz folgend:" No Vino, no Pelegrino" folgend tranken wir dazu einen leckeren Rotwein, der uns die nötige Bettschwere verlieh.
Am folgenden Tag liefen wir nur eine kurze Etappe nach Thiviers, um Holgers malträtierte Füße zu schonen. So tranken wir schon 15 Uhr auf dem Campingplatz ( hier ist ein Bungalow für Pilger reserviert) ein Feierabendbier. Wir nutzten den Komfort einer Waschmaschine und genossen den Nachmittag in der Sonne.

Sonntag, 20. September 2015

Zu Zweit geht es sich leichter

Am nächsten Morgen sollte es früh losgehen, da die Wetteraussichten bescheiden waren. Beim Einpacken vermißt Luc seine Regenjacke und nach erfolglosen Suchen, war klar, dass er diese in der Kathedrale liegen ließ. Also zuerst dahin, doch sie war noch verschlossen. Der Regen begann und wir setzten uns in ein Kaffee zum Warten. Inzwischen packte ich meine Sachen wasserfest ein und stieg in meine Regenhose. Luc ging in meiner Jacke zur Kathedrale, aber alles suchen war erfolglos. Also kaufte er im erst besten Markt ein Cape und eine Jacke. In der Touristeninfo gab es nicht die Karte die wir brauchten, also liefen wir zur Buchhandlung, aber genau DIE Karte war vergriffen. Spätestens da hätten wir wissen müssen, dass das heute nicht unser Tag ist. Es regnete Strippen. Also liefen wir erst 10 Uhr in Never auf dem richtigen Weg los und schauten viel nach unten, damit die Brillengläser trocken blieben und so passierte, was passieren mußte ( ohne Frank), wir verpassten den Weg. Als wir es merkten handelten  wir mutig nach unserem Motto " Vorwärts immer, Rückwärts nimmer" und pilgerten auf einem abenteuerlichen Weg. Der Regen lockte jede Menge Nacktschnecken auf die Straße und hier haben sie eine ziemlich rot- orange Färbung. Überfahren sehen sie aus wie zerquetschte Cocktailtomaten. Lecker!
Nach einer Weile kamen wir an den Kanal der Loire, den wir finden sollten, leider nur 3 km weiter unten. Das bedeutete 3 km im Regen an einer gut befahrenen Landstraße. Man gönnt sich ja sonst nichts. Nass war ich eh schon wieder richtig. In La Grenouille wechselten wir den Kanal und liefen am Kanal der Allier entlang und der Weg war ein Landsträßchen und sehr schön, trotz Regen. In Apremont -sur -Allier stand ein Schild, dass es eines der schönsten Dörfer Frankreichs ist. Das wollten wir sehen und just da hört der Regen auf, sodass wir die Köpfe heben konnten. Ja es war tatsächlich ein liebreizendes Dorf voll alter, gut gepflegter Häuser, vielen Blumen, tollen Rabatten und direkt am Fluss.

In einem hübsch eingerichteten Bistro machten wir Pause und aßen ein Stück Tomatentarte, der sehr lecker war. Es kam eine Gruppe Schweizer herein und wir unterhielten uns kurz, bevor es weiter ging. Wir durchquerten 10 km Wald auf dem Sträßchen und es war wunderbar und der Herbst richtig sichtbar.

Dann erreichten wir unser Zimmer und es befindet sich auf einem 30 ha großen Grundstück mit Schloss. Der Besitzer ist 69 Jahre und zeigt uns sein Hobby. Wahnsinn. Teilweise ist es schon renoviert, aber es braucht 2 Leben, um fertig zu werden.
Am Ende sollten wir ein Stück geschwungenen Sandstein berühren, den alle Pilger berühren, weil ???? Darauf schon König Henry, Napoleon, Jean D' Arc und noch mehr hohe Herrschaften gepinkelt haben! Rs wsr ein Stück Stein aus dem Abbort! Ob es stimmt? Auf jefen Fall hatte der gute Mann die Lacher auf seiner Seite.

Unser Zimmer war in einem Gite mit 4 Ferienwohnungen und weniger historisch wertvoll. Die heiße Dusche war mir aber wichtiger, als ein Zimmer im Schloss. Das Essen war diesmal sehr gewöhnungsbefürftig, aber nach 32 km hatten wir einfach Hunger und so gab es zu Nudeln, die wir in der Mikrowelle überbucken Wurst und Käse ohne Brot, denn dass sollte unser Frühstück sein. Wir fragten nach, ob es noch Marmelade gibt, dass wurde aber kategorisch abgelehnt. Die Frau war eh etwas abweisend, wahrscheinlich war sie nicht glücklich auf dieser riesigen " Scholle" fernab von Internet und Telefonempfang ( hier gibt es ständig Funklöcher und ich laufe tatsächlich mit dem Handy durch die Gegend, um zu schauen, wo zwei Balken Empfang sind, um ein Telefongespräch führen zu können) zu leben und mit Pilgern und Gästen Geld zu verdienen, dass im Schloss landet, wo sie eh nie leben wird. Ich hatte vollstes Verständnis für diese Frau, aber nicht für die fehlende Marmelade.
Am nächsten Morgen frühstückten wir ohne Marmelade und machten uns auf den Weg. Im Ort gab es eine offene Boulangerie und so kauften wir die Standardverpflegung pain aux chocolade und pain raison. Der Weg führte uns zurück an den Kanal. Der Himmel war voller Wolken und machte es spannend. Noch war es trocken. Es ging 10 km am Kanal entlang und wer denkt, dass es langweilig war, der irrt. Es ging mal links, mal rechts am Kanal entlang über Schleusen und Brücken. Mal war es Grasweg,dann Kies und später Schotter. Wir liefen zwei km durch eine Allee von riesigen Platanen und es erinnerte sehr an ein hohes Schiff einer Kathedrale. Einfach wunderschön.

Es sprühte immer wieder ein paar Tropfen, die uns nicht beeindruckten. Dann öffnete sich der Weg und wir gingen direkt am Wasser und später wieder durch heckengesäumte Wege.
Unsere etste Pause machten wir nach 14 km an einer Brücke. Danach führte uns der Weg über zwei kleine Dörfer.In Augy-sur- l' Abois gab es eine Pilgerherberge und wir wurden dort von zwei holländischen Hospitaleros ( Freiwillige, die in ihrem Urlaub Pilgerherbergen offen halten) freundlich begrüsst und auf einen Kaffee mit Kuchen eingeladen. Das war super und Luc hat ihnen Geschichten erzählt. Als wie fertig waren, kamen noch zwei Holländer vorbei, die auf Revival - Tour waren. Sie sind mit dem Rad noch Santiago gefahren und fuhren nun die Strecke mit dem Wohnmobil ab.
Auch hier im Ort telefonierten die Anwohner im Garten bzw. auf der Straße, ein französisches Phänomen.

Wir verabschiedeten uns fröhlich und liefen zurück zum Kanal. Dort flogen vor uns viele, sehr kleine Schmetterlinge in zartflieder, sonnenblumengelb und in verschiedensten brauntönen umher und versprühten eine Leichtigkeit, die uns mit der Anzahl der Kilometer verloren ging.
Am Ende des Kanal machten wir dann noch eine Pause, bevor wir die letzten 6 km in Angriff nahmen. Es begann ein leichter Sprühregen, aber wir wollten nicht mehr die Regenjacken rausholen, denn das bedeutete den Rucksack absetzen und er war so drückend heute. Also nahmen wir es als Vorwäsche, vor der heißersehnten Dusche.
In Ainay-sur-le chateau hatten wir ein Problem die Pilgerherberge zu finden. Wir fragten uns durch, klingelten an der falschen Tür und wurden richtig geleitet.
Die Herberge wird von Michelle (männlich) und Michael ( weiblich) zwei freiwilligen Belgiern betreut. Nach 36,4 km freuten wir uns über das kalte Begrüßungsbier. Wir machten uns frisch und durften die Waschmaschine benutzen.

Danach bekamen wir ein sehr delikates und leckeres 5-Gang- Menü serviert und nach dem Abwasch durfte ich meine Bilder am PC auf einen USB- Stick ziehen. Das ist die pilgerfreundlichste Herberge auf dem bisherigen Weg.
Am nächsten Morgen konnte sich das Wetter nicht entscheiden.Es war mild, sehr windig und anfänglich richtig sonnig. Im Laufe des Tages änderte es sich fast halbstündlich, sodass ich mehr mit Regenjacke an- und ausziehen ( weil man darunter schwitzt, wenn die Sonne scheint) beschäftigt war, als mit wandern. Meine Stöcke hätte ich beinah das erste Mal vergessen, aber Michelle hat mir hinterher gerufen. Glück gehabt. Der Feldweg führte uns auf ein Plateau, sodass wieder ein Weitblick möglich war. Die Landschaft ist grün von Weidefläche und Wald und überall gibt es kleine Höfe. Es ist sehr lieblich, trotz der schwarzen Wolken am Himmel.Wir laufen hinunter und kommen an den Canal du Berry, wo eine Trockenphase für eine Pause genutzt wird. Danach geht es nach Saint- Amand- Monzrond, einer Kleinstadt an der Cher. Montags14.30 Uhr ist es hier sehr ausgestorben. Es gibt eine hübsche, alte Kirche und ein paar alte Gebäude.

Am Markt waren alle Geschäfte und Restaurants geschlossen. Erst am Ortsausgang fanden wir eine offene Bäckerei, aber da es wieder schauerte, aßen wir im gehen. Und dann entdeckte ich einen Blumenladen und der war der traurigste Anblick des Tages und für mich der Inbegriff dessen, was ich die letzte halbe Stunde sah. Der Laden ist endgültig geschlossen und im Schaufenster starben die letzten Blumentöpfe eines einsamen Todes.
Nun führte uns ein Feldweg nach Bouzais, in die Pilgerherberge der fränkischen Jakobusgesellschaft. Jean Pierre (62) begrüßte uns und erzählte, dass er 9 Monate über 4800km gepilgert ist. Start war in Wroclaw ( er hat polnische Großeltern) über Görlitz, Zittau, Prag, Ulm, Portugal,Santiago. Seine 2. Pilgerreise war. Von England über Rom nach Jerusalem. Wer einmal gepilgert ist, den läßt es scheinbar nicht mehr los. Alle wollen etwas zurück geben und als Hospitalero hat man da eine gute Möglichkeit. In seinem Arbeitsleben war er Professor für Sprache und Literatur.
Ich war beeindruckt.
Wir hatten eine Pflichtbesichtigung der Eisenbahnplatte des Nachbarn und dann war duschen und ausruhen angesagt.

Abends kochte uns Jean Pierre ein köstliches 4-Gang-Menü und dazu gab es ein gutes Glas Rotwein. Seit Vezelay hat sich das Pilgerleben schon stark verändert. Nicht nur, dass ich jetzt in Gesellschaft laufe, auch esse ich jetzt viel leckerer und viel mehr. Luc ist genauso ein Süßschnabel wie ich und kommt an keiner Patisserie vorbei, ohne etwas zu kaufen. Naja und wenn ich schon drin stehe...
Der nächste Morgen war wolkenverhangen und bleigrau, sodass ich gleich in die Regenhose stieg, um für alles gewappnet zu sein. Wir frühstückten und zogen los. Der Wind blies kräftig und die Grautöne des Himmels reichten von weißgrau über betongrau und mausgrau bis anthrazit. Es blieb also spannend und auch das erste Drittel des Weges trocken. Der Weg war abwechslungsreich und in Grand Orme sah ich das erste Mal in Frankreich braune Kühe ( bisher waren alle weiß).

Dann setzt der Regen ein und der Wind legt sich. Ein schön gleichmäßiger schwacher Landregen. Zuviel um ohne Regenjacke zu laufen, aber zuwenig um gleich klitschnass zu sein. Also ein guter Regen. Die Tropfen klopfen eine Melodie auf meinen Kopf und ich versuche mit den Stöcken den Grundschlag aufzunehmen und meine eigene Wassermusik zu komponieren. So war der Wegabschnitt den ich die nächsten Stunden sah ( 2 m Weg plus meine Schuhe) interessanter. An der Moulin de Mesereau, ein liebliches Fleckchen Erde hört es kurz auf und wir nutzen den Moment für eine Pause am dortigen Rastplatz. Unser Menü bestand aus je einer Banane, Tomate, Nektarine, ein la vache curie Käse und 2 Keksen. Das waren unsere letzten Vorräte, da wir keinen Laden am Weg hatten. Kaum liefen wir weiter regnete es wieder und erst im Vorort von Le Chatelet kam die Sonne durch und der Regen hörte auf.
Wir hatten im Hotel du Pont Bayard reserviert, weil die hiesige Pilgerherberge wegen Krankheit geschlossen ist. Als ich das Hotel von außen sah, erinnerte es mich an  "Central und La Poste" . Mir schwahnte schlimmes. Am Tresen begrüßten uns zwei ältere Damen und als uns die Eine die Treppe hochführte war ich schon optimistischer, die Treppe war sauber! Das Zimmer war einfach, mit Dusche und WC im Zimmer ( was nicht immer so ist) und wirklich sauber. Hurra, es geht also doch für 35€ ein Hotelzimmer zu mieten und kein Loch! Ich bin der Auffassung, dass es daran liegt, dass es von Frauen geführt wird! Vorurteil hin oder her!
Wir machten uns frisch und gingen hungrig zum Supermarkt ( den ersten seit 6 Tagen), um Proviant zu kaufen. Es kommt, wie zu erwarten war, wir kauften zu viel und haben nun jeder 1/2 kg mehr zu tragen.

Es gab im Angebot eine Packung mit 6 verschiedenen Minitartes für 4,40€, also ein echtes Schnäppchen. Damit setzten wir uns in den "Tabac" und bestellten Kaffee. Auch hier war es kein Problem den mitgebrachten Kuchen zu essen. Wir bekamen sogar ein Messer, um die Tartes zu teilen. Wir liefen voll gefuttert zum Hotel zurück und ruhten uns aus. Abends gab es noch ein 3- Gang-Menü, aber ich mußte nach dem Hauptgang die Segel streichen. Was zuviel ist, ist zuviel. Um die Wirtin nicht zu beleidigen, nahm ich den Crepes mit aufs Zimmer in die Proviantschachtel.
Luc ist ein großer Rechner. Er schaut bei jedem Orientierungspunkt nach, wieviel Kilometer es noch sind und wann wir dasein werden. Dazu kommt immer noch die aktuelle Wetterlage von der App. Ich ziehe ihn damit auf und sage, wenn du rausschaust siehst du das Wetter und wenn wir ankommen sind wir da.
Am nächsten Morgen sagte die App 90% Regen und Gewitter. Keine guten Aussichten. Ich schaute raus, es war grau und es blies ein sehr laues Lüftchen. Wir liefen los und der Himmel wurde immer heller und ich sah auch schon hier und da ein Stück blau aufblitzen. Wir sahen auch immer wieder Stücke vom Regenbogen, bis wir einen ganzen kurz sehen konnten.

Ich lästerte und meinte, die 90 sind jetzt nur noch 80%, womit ich ein neues Spiel einleitete. Luc berechnete aller Stunden die Prozentzahl. Inzwischen kamen wir bei herrlichen Wanderwetter in Chateaumeillant an, kauften Baguette und hielten Mittagsrast. Dann führte der Weg auf eine Höhe über Felder. Der Wind blies stürmischer von links, wo sonniges Wetter war und weit weg rechts und vor uns war es dunkel. Wir hatten inzwischen die 70% - Marke überschritten. Optimistisch wie ich bin, wettete ich mit Luc 10 km vor dem Ziel, dass, wenn wir nass würden, ich ein Bier spendiere. Er hielt gegen ein Glas Wein, wenn wir trocken blieben. Top- die Wette gilt. Wir liefen in eine Senke, der Wind drehte, wurde heftiger und es wurde richtig schwarz. Kaum hatte ich die Regenkluft an, ging es stürmisch los, dass wir fast vom Weg gefegt wurden. In 45 min waren wir klitschnass. Wir kamen in einen Hohlweg und als wir ihn verließen, war alles vorbei und die Sonne schien. An der nächsten Straße lag eine Stromleitung am Boden und ich dachte nicht darüber nach, was wäre wenn...
Ja das Bier hatte ich verloren, aber meinen Optimismus behalte ich.
Am Ortseingang kamen wir an der ersten Streuobstwiese seit Vezelay vorbei und ernteten den ersten Apfel, der sehr lecker war. Jeder Bauer umgibt hier seine Felder und Weiden mit dicken Hecken, aber die Obstbäume am Wegesrand fehlen hier gänzlich.
Wie kamen nach 32 km in La Chatre an, wo es ein George Sand- Museum gibt. Unsere Unterkunft bei den presbyterianischen Schwestern gehört zu der Kategorie Hauptsache eine heiße Dusche und ein sauberes Bett! Die hat sie zu bieten und wir tranken erst einmal Kaffee bevor wir uns stadtfein machten. Wir suchten eine Bäckerei für morgens und fanden 6 Friseure, 4 Fleischer, 5 Banken und nach einer halben Stunde erst einen Bäcker, aber der reicht uns ja, zumal er 7 Uhr öffnet. 
Dann suchten wir ein Restaurant zum Essen und landeten wieder in einer Pizzeria. Französisch gab es nicht. Soviel Pizzerias hatte ich vor dem Jakobsweg noch nicht von innen gesehen.Ich aß eine Pizza Savoyade: Kartoffeln, Speck, Zwiebeln und Reblochon! Irre lecker. So preiswert wie Kaffee ist das Radler in Frankreich nicht und ruiniert jede Pilgerkasse. 6€ für 0,5l ist schon ein Wiesenpreis. Aber man gönnt sich ja sonst nichts!
Der nächste Morgen ist trocken und wir starten zeitig. Es geht nach Sarazay, eines der südlichsten Loireschlösser, obwohl es nicht an der Loire liegt. Es fand Eingang in einem Buch von George Sand und hat erheblichen Renovierungsbedarf.

Kurz dahinter wird der Himmel schwarz und ich ziehe die Regenklamotten an und dass keinen Moment zu früh. Kaum sind die Schuhe wieder zu prasselt ein heftiger Guss runter und die Feldwege verwandeln sich in Matschpisten.

So laufen wir 10km bis Neuvy-Saint-Sepulchre, wo wir die Stiftskirche Saint Jaques aus dem 11.Jahrhundert besichtigen, die auf der Weltkulturerbeliste steht und die Grabeskirche in Jerusalem zum Vorbild hatte. Eine sehr beeindruckende Rundkirche. In einem Bistro bestellten wir Kaffee und aßen unsere Mittagsbrote. Der Regen wurde nicht viel weniger und so beschlossen wir, auf die Landstraße auszuweichen, weil diese weniger schlammig ist. Autos fuhren hier kaum. Die letzten Kilometer wechselte es zwischen Sonne und Regenschauer und 15 Uhr waren wir schon in Cluis und bezogen eine hübsche, winzige Pilgerherberge.

Dienstag, 15. September 2015

Halbzeit


Ja ich bin weitergelaufen, aber vorher hatte ich noch ein Erlebnis der besonderen Art. 7 Uhr war Lauden, eine gesungene Messe der Brüder und Schwestern. In weißen Kutten knieten sie in der riesigen, schlicht gehaltenen, fast weißen, hohen Basilika und sangen mit so zarten Stimmen allein, in der Gruppe oder allen zusammen und die Töne schwebten zur Kuppel empor.Es war So berührend, dass ich Gänsehaut hatte. Am Ende bekamen wir Pilger den Segen.

Nach dem Frühstück ging es auf nach Le Chemin. Ich lief mit Luc und Frank gemeinsam, was den Vorteil hat, dass ich mich nicht mehr verlaufe, denn Frank ist ein echter Kartenfuchs. Die Landschaft ist hügliger und kleinteiliger geworden, der Wein verschwunden und dafür gibt es viel Weide mit Kühen. Es geht bergauf und bergab, aber wesentlich gemächlicher als an der Mosel. An einer Mauer in der Sonne wärmten sich Eidechsen und als unser Schatten sie traf, verschwanden sie in den Mauerritzen.

Morgens war zäher Nebel und es war schon recht frisch. Mittags schaffte es dann die Sonne und wir hatten einen herrlichen Wandertag und viel Spass, da Luc auch ganz gut austeilen kann.
Ein neues Kuriosum fanden wir in Bazoches du Morvan. Es stand am Ortsanfang, dass es ein Restaurant, einen Lebensmittelladen und einen Bäcker gibt. Wir fanden nur das Restaurant und als wir fragten, wurde uns erklärt, dass dort alles ist. An der Theke gab es 2 Sorten Baguette, Dosen aller Art, Reis, Nudeln und Getränke. Super! Wir kauften Brot und Pate und setzten uns direkt vor das Restaurant und picknickten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es so etwas igendwo in Deutschland gibt.
Ich unterhielt mich mit Luc der schon 65 ist, über seine Beweggründe zur Pilgerschaft und lernte ihn dabei etwas näher kennen.
Wir waren früh in der Pilgerherberge, die von Holländern betrieben wird und noch im Aufbau ist.Leider ist auch hier Handwäsche angesagt! Aber Hose und Jacke warten auf eine Wäschmaschine. Also beginnt langsam der Prozess der Verwahrlosung. Ja was soll ich tun. Irgendwo finde ich noch eine und bis dahin bitte mit Flecken.
Dafür werden wir bekocht. Ich bin ja nicht so für das Scharfe und so hatte ich beim und vorallem nach dem Essen ein Problem- Bauchweh!

Ich hatte trotzdem gut geschlafen und das Defizit der letzten Nacht aufgeholt. Nach dem Frühstück ging es los und ich hatte den Weg vollständig den Männern überlassen. Sie hatten zwei Abkürzungen gefunden, damit die Tour nicht zu lang wird. Die erste klappte super, die Zweite ging von einem schöner Weg, in einen schmaleren über und endete im Dickicht. Wahrscheinlich haben die Römer ihn noch benutzt und seitdem steht er in der Karte! Uns blieb nichts anderes übrig, als über zwei Weidezäune mit Stacheldraht zu klettern. Luc und ich entschieden uns für die Variante oben drüber, Frank für unten durch.

In Corbigny kauften wir Proviant und setzten uns in ein Straßenkaffee auf ein zweites Frühstück. Die Sonne setzte sich durch und es wurde nochmal richtig warm, sodass die Hälfte der Strecke schweißtreibend war, denn wir liefen über offene Felder. Am Friedhof von Prelichy gab es eine Bank im Schatten, wo wir Mittagsrast hielten. Dann liefen wir durch bis Saint Reverin, wo uns eine einfache Gemeindeherberge erwartete. Ich hängte die Wäsche mitten auf den Dorfplatz und stellte Tisch und Stühle raus und so genossen wir das schöne Wetter und beratschlagten den nächsten Tag.
Abends aßen wir dann auch mitten auf dem Platz und tranken 2 Flaschen Wein und klönten herrlich. Wir waren uns alle einig, dass so etwas nur in Frankreich geht. Auf dem öffentlichsten aller Plätze eines Ortes ein " Pilgergelage".
Übrigens, dass Rathaus beherbergt das Rathaus, die Schule, die Post, eine Mietwohnung und die Pilgerherberge! Auf dem Foto ist die " Dimension" sicher erkennbar.

Am nächsten Morgen klingelte der Wecker um 6.30Uhr, denn 7 Uhr wollten wir frühstücken und ich war dafür zuständig. Pünktlich saßen wir am Tisch und danach ging es los. Zuerst über Landstraßen, die auch mal befahren waren (Einsamkeit ist vorbei) und dann auf Nebenwegen durch kleine Orte bis Premery. Dort gibt es auf dem Campingplatz einen kleinen Wohnwagen für Pilger. Wir stellten die Rucksäcke ab und wollten die Waschmaschine benutzen, doch uns fehlten die Jetons und die Rezeption ist erst abends besetzt. Also fragten wir die anderen Camper. Keiner hatte welche, aber eine nette Holländerin lieh uns ihre Handwaschmaschine und ihre Schleuder und Luc und ich wuschen unsere Wäsche auf Großmutterart.

Dann liefen wir in den Ort um Mittag zu essen( Plat de Jour):. Ein Dreigangmenü mit Wein, Wasser und Kaffee für 14€. Da kann man nichts falsch machen. Wir rüsteten uns mit Wasser für den 2. Teil des Tages, denn wir wollten ohne Gepäck noch 10 km weiter laufen, damit es morgen keine Mammuttour wird. Bei 28 Grad luef es sich ohne Gepäck schon fast von allein. In einer Auberge tranken wir ein Radler, bevor es per Anhalter zurück zum Campingplatz ging. 

Die Nacht in dem kleinen, kuschligen Wohnwagen entpuppte sich als richtig kalt. Es ging auf 6 Grad runter und ich kuschelte mich tief in meinen Yeti. Am Morgen brauchten die Herren 1/2 Stunde länger als ich, ehe sie Abmarschbereit waren. Wir liefen zum Bistro zum Frühstück und fuhren dann mit dem Bus nach Poiseux, und begannen dort unsere Etappe.
Der Weg führte wieder über kleine Dörfer und überall gibt es ein Herrenhaus oder ein Schlösschen. In jedem Garten kläffte mindestens ein Hund, aber der Trend zum Zweit-oder Dritthund ist deutlich erkennbar. Ich hatte also viel Spaß. Einmal mußte ich mich entscheiden, ob ich mich vom Auto überfahren lasse ( weil ich den Bürgersteig verlassen mußte) oder vom Hund vollkläffen lasse ( der Bürgersteig war recht eng). Ich entschied Ersteres, aber der Autofahrer bremste. Glück gehabt.
Frank hatte eine schöne Abkürzung über einen Forstweg gefunden und der Wald war wirklich sehr schön. Er erinnerte an heimische Wälder.Die Sonne zeigte sich nich einmal mit vollen 26 Grad und so hatten wir herrlichsten Wetter zum laufen.

In Nevers kamen wir am frühen Nachmittag an und besuchten die Kathedrale Saint Cry et Sainte Juliette, wo ich ein Licht für Agata und eins für Charlotte entzündete, denn sie hatten heute Geburtstag. Vor dem Palais Ducal machten wir ein Abschiedsfoto, denn Frank hatte beschlossen eine andere Übernachtung zu suchen, weil die unsrige, reservierte noch 2,5 km außerhalb vom Zentrum war. Luc und ich liefen zu den Schwestern und bezogen unsere Zimmer.  Wir gingen zur Abendandacht und lauschten dem Gesang der 8 Schwestern, die hier ihren Dienst tun.
Wir bekamen ein üppiges Abendbrot und alles war für 3 Personen vorbereitet. Das war uns peinlich und so bezahlten wir einen Anteil von Franks Essen mit, damit den Verlust die Schwestern nicht allein tragen. Leider hatte Frank es versäumt selber abzusagen.

Ja und heute war der historische Tag der Halbzeit meiner Pilgerreise. Hinter mir liegen 1736 km und vor mir liegen 1730 km. Ob es jetzt tatsächlich exakt die Hälfte ist, kann ich natürlich erst am Kap Finistere wissen. Aber die Vorstellung davon lebt in mir.
Wer hätte das gedacht, dass ich das schaffe, immer noch jeden Tag froh gelaunt starte und jede Stunde des Tages genieße, mich an der Umgebung und an den Menschen freue und soviele Erfahrungen, Eindrücke und Erlebnisse sammel. Mein Körper hält zu mir und wird gut gepflegt, damit er nicht den Dienst quittiert. Ich bin inzwischen so "wettergegerbt", dass ich keine Sonnencreme mehr brauche und ich weiße Lachfältchen habe. So braun war ich noch nie! Das Vagabundenleben bekommt mir ausgezeichnet!! Nun hoffe ich, dass der zweite Teil so spannend bleibt und ich noch vielen, offenen Menschen begegne, die mit mir das Pilgerleben teilen oder es bereichern.

Samstag, 12. September 2015

Vezelay ist geschafft!

Den Abend bei Ingeborg genoss ich in vollen Zügen. Sie hatte uns ein gutes Essen gekocht und wir hatten ein tiefschürfendes Gespräch, was mich nachhaltig beeindruckte. Zum Dessert gab es ein Eis, aber dass musste ich mir ersingen. Mit einem Kinderlied von Gerhard Schöne hatte ich es mir verdient. Mit Rotwein saßen wir noch am Feuerofen, bevor wir uns Gute Nacht wünschten.
Ich schlief herrlich und am Morgen nach dem Frühstück verabschiedete ich mich herzlich von ihr. Wieder begegnete ich einer starken Frau auf dem Weg, die ein außergewöhnliches Leben führt.
Die Etappe bis Tonnerre war nur 21km und ich lief immer noch über riesige Felder und Brachflächen und begegnete keinem Menschen. Diese Weite ist jeden Tag für mich faszinierend.
Tonnerre ist eine alte größere Stadt, die schon bessere Tage hatte. Mir erschien sie ziemlich marode und nur vereinzelte Häuser sind saniert. Ich unternahm einen Stadtrundgang und schaute mir das Museum im "Hotel Dieu" ( ehe-maliges Hospital mit Kirche) , bevor ich in mein Hotel ging. Schockschwere Not, es muss am Namen liegen. " Hotel Central" war ein Abklatsch des selbigen in Toul! Nein, ich wollte dafür nicht 46€ ausgeben! Die Dusche schimmelte. Ich nahm meine Sachen und meinen ganzen Mut zusammen und ging an die Rezeption. Ich fragte nochmal, was das Zimmer kostet und nach der Antwort sagte ich, dass ich es nicht nehme. Es ist zu teuer und die Dusche schmutzig. Da ich noch nicht bezahlt hatte, ging ich davon und erfreute mich am verdatterten Gesicht der jungen Frau.
Im Office de Tourisme fragte ich nach einer Pilgerunterkunft und bekam für 10€ den Schlüssel der städtischen Pilgerherberge ausgehändigt. Ich hatte keine großen Erwartungen, denn wenn billig, dann auch für billiges Geld!
Ein kleines Zimmer mit Dusche und WC im Gang. Das Waschbecken hatte ich schnell geputzt ( Mittel standen da) und die Matratze im Bett frisch bezogen. Das Bettzeug hatte ich durch mein Schlafsack ersetzt und so ging es für eine Nacht.
Am nächsten Morgen war ich schon 7 Uhr auf den Beinen und eine halbe Stunde später schon aus der Stadt heraus auf einem herrlichen Plateau. Die Sonne fand ihren Weg nicht durch die Wolken und so pilgerte ich das erste Mal in Jacke.

Unterwegs unterquerte ich die TGV- Linie und war erstaunt, dass aller 5 Minuten ein Zug angebraust kam.
Ich durchquerte im Sturmschritt Tissey und Collan und lief von einem Plateau auf Chablis zu. Die Weinkenner werden jetzt sicher neidisch. Ich habe es getan: Ich habe eine Grand-Crue-Traube gepflückt und gegessen! Sehr klein, aber sehr saftig und süß.
In den Weinbergen waren Heerscharen von Pflückern und Pflückmaschinen unterwegs und so ein Gewusel hatte ich schon lange nicht mehr gesehen.
Allerdings erschloss sich mir nicht, weshalb auf einem Feld ein Bus Pflücker im Einsatz waren und auf den anderen Maschinen.

Der Ort selber ist sehr aufgeräumt und es gibt unzählige Degustationen. Es laufen sogar ein paar Touristen rum. Ich finde mein Hotel und muss mir echt ein dickeres Fell zulegen. Was hier ein Zimmer sein soll, wäre in Deutschland nicht möglich. Toilette 1/2 Treppe tiefer, Dusche als Plastikbox im Zimmer. Als ich dann den Preis an der Tür sehe, der um 15€ von meinem Führer abweicht, hatte ich schon wieder einen Flucht-
instinkt. Ich zeigte meinen Preis und sagte, dass an der Tür... er unterbrach mich und meint 35€ ist in Ordnung. Also blieb ich, denn der Rest sieht richtig teuer aus. Ich duschte und ging auf Erkundungstour, wo es wenig zu erkunden gibt! Kneipen, Wein, sonst nichts. Im Office de tourisme erfahre ich, dass es die täglich angebotene Weinentdeckungsfahrt wegen der Wein-
ernte nicht mehr gibt. Dabei ist noch garnicht der 15.9. Also Zeit totschlagen und erst mal ein Kaffee im Straßencafe getrunken. Eine deutsche Reisegruppe aus Kassel lief über den Platz und 4 ältere Damen setzten sich zu mir. Sie bestellten eine Flasche Chablis und wir kamen ins Gespräch. Ich bestellte mir auch ein Glas Wein und bekam von der Kellnerin ein leeres Glas. Als ich aufklären wollte, meinten die netten Damen, dass sie mir ein Glas ausgeben könnten, ich sei die interessanteste Begegnung auf ihrer Reise. Na super, das erste Gläschen auch noch gratis. Ich bekam auch noch 1/2 Käsebaguette aufgeschwatzt und wir unterhielten uns lebhaft.
Danach legte ich im Zimmer die Beine hoch und schrieb Tagebuch. Just da ist die Kulimiene alle. Schnell in den nächsten Zeitungsladen. Aber so eine deutsche Großraummine ist anders als die französische. So kaufte ich einen neuen Kuli und der Görlitzer Landkreis-kuli beendete seine Tage in Chablis. Der Landkreis möge mir verzeihen!
Am Abend experimentierte ich mit meinen Sprachkenntnissen. Ich traute mich das erste Mal in ein richtiges Restaurant! Ich bestellte ein Menü, dazu eine Karaffe Leitungswasser und ein Glas Chablis. Entweder die Kellnerin ist Spezialistin im Rätselraten oder sie hat mich wirklich komplett verstanden!!! Ich war so begeistert! Später fragte ich noch, ob ich den Tisch wechseln darf, weil es draußen doch kühl wurde und ob sie mir Geld wechseln kann. Auch das klappte sofort. Meine täglichen kleinen Übungen (ich habe ein Buch Französisch in 30 Tagen einer Herberge mitnehmen dürfen, dafür hinterlies ich meine letzte Lektüre) zeigen Wirkung. Ich war so gut drauf, dass ich meine Umgebung beobachtete und mir überlegte, wie ich diese Beobachtungen ausdrücken könnte. Ich war erstaunt, was ich schon beschreiben könnte. Das ist auch eine gute Übung.
Übrigens mein Menü:
Vorspeise: Melone mit Schinken
Hauptgang: Schinken in Chablissoße, Kartoffel, Reis und frisches Gemüse
Käse: 3 Sorten Weichkäse mild, würzig, kräftig, mit grünen Salat in Senfdressing
Nachtisch: nasser Karamellkuchen mit Vanillesoße.
Ich brauche nicht dazu sagen, dass ich danach richtig satt und glücklich war. Selbst das häßliche Zimmer, machte mir nichts.Motto: Augen zu und schlafen!

Der nächste Tag begann vor dem Aufstehen, denn die Weinernte bescherte mir ab 5.30Uhr die Rushour der Traktoren und ich hatte das Gefühl, sie fahren mitten durch mein Zimmer. Ich stehe also früh auf und da ich kein Frühstück bestellt hatte, freute ich mich schon loszulaufen. Doch an der Tür war stopp. Alles verschlossen und verrammelt. Niemand unten. Ich klopfte an einer anderen Zimmertür und erklärte mein Problem, aber sie konnten oder wollten ( so früh könnte ich ja ein Zechpreller sein)mir nicht helfen. Ich wartete genervt und hörte wie jemand ging. Also nachgeschaut und siehe im Restaurant gab es noch eine zweite Tür mit drei Verriegelungen, die sich öffnen ließen. Freiheit! Ich ging zum Boulanger um Proviant zu kaufen und lief los. Auf der Straße war die Hölle los. Soviel Verkehr hatte ich die letzte Woche insgesamt gehabt. Die Dorfstraße war die Traktorautobahn. Schnell weg. Auf der anderen Seite lief ich die Weinberge auf eine Hochfläche hoch und hatte einen tollen Ausblick auf Chablis und Umland.
Und dann kam der historische Moment des Jakobsweges. Ich kam an die Lage " Cote de Lechet", ein "Premier Cru", also das Edelste was es bis Santigo gibt. Ich habe die Rebe nicht nur ehrfurchtsvoll gestreichelt, nein, ich habe es gewagt, sie zu probieren! ( Sie wurde nicht von Hunden bewacht!)  Sehr saftig, angenehm süß aber eine recht kleine Traube.
Dann lief ich forschen Schrittes nach Auxerre und obwohl ich nur einmal schlief und der Weg einmal uneindeutig war, zeigte mein Navi am Ende 6 km mehr an, als mein Führer. Ich war wieder 30 km unterwegs und ich glaube es wurde die Fahrradstrecke vermessen, denn die ist laut Karte deutlich kürzer. Aber das machte nichts, denn es war nicht mehr so heiß, sondern wieder um die 20 Grad.
In Auxerre holte mich ein Regenschauer und ein Pilger ein. Frank kam gerade mit dem Zug an und beginnt seinen Weg hier fortzusetzen, wo er letztes Jahr aufgehört hat. Wir gingen zusammen zum Office de Tourisme und verabredeten uns zum Abendessen.
Nach einer kurzen Pause lief ich den Stadtwalk ab und besichtigte in 2,5 Stunden 66 der wichtigsten Straßen und Gebäude an und legte noch mal 10 km hin. In der Kathedrale kam ich in eine Hochzeitsgesellschaft. Ein wunderschönes, junges Brautpaar mit einer riesigen Gesellschaft sangen ein
" Jubilae", dass ich Gänsehaut und nasse Augen bekam. Es war so schön.
Abends aß ich mit Frank in einem kleinen Restaurant am Ufer der Yvonne. Auf dem Teller ( Käse) ging es übersichtlich zu, aber mit nachbestellten Brot konnte ich meinen Magen Sättigung vorgaukeln. Dafür gab es aber ein großes Radler ohne Aufsehen! 22 Uhr hatte ich noch ein Highlight gefunden. In der Kathedrale gab es " Ton und Licht". Für 5€ wurde die Geschichte der Kathedrale erzählt. Nachts in einer besonders illuminierten Kirche, dass hat was. Auch wenn ich völlig kaputt war!
Das Beste war aber der Anfang. Ich bat um ein Ticket für mich und bezahlte und dankte. Dann wollte ich mir einen Kopfhörer für die Übersetzung nehmen und die Dame sagte zu mir, die sind nur für Ausländer!!! Darauf sagte ich, dass ich Ausländerin bin, Deutsche. Sie war sichtlich erstaunt und meinte mein Französisch sei sehr gut. Jubilae! Ich war so erfreut, ich bin ja so gut!
Mit diesem Wissen ging ich kurz vor Mitternacht schlafen.
Noch eine französische Automatenskurrilität: An der Tankstelle des Intermarche in Chablis steht ein Waschautomat für 18 Kilo Wäsche! Ich fragte mich, ob die fertig ist, wenn ich vom tanken komme.

Der nächste Morgen war ein Sonntag und in dem Studentenheim wo ich schlief, gab es erst 9 Uhr Frühstück. Deshalb schlief ich bis 8.30 Uhr und packte meinen Rucksack vorher.
Das " petit dejeuner" wurde an der Essensausgabe in Wort und Bild erklärt: 1 Kaffee oder Tee, 1Joghurt,1 Apfel,1 Minibaguette,2x Butter,2x Marmelade!
Für einen Start in den Tag reicht mir das auch und so geht es 9.30 Uhr am Ufer des Yvonne- Kanals los. Die Sonne lugte durch die Wolken, ein kühler Wind weht und das sonntägliche Joggingphänomen gab es auch in Auxerre. Also wieder viel Ansprache, Gedanken an den Laufverein daheim und an Volker und Silke.
Dazu kam ein Boot mit Besatzung auf dem Kanal.
Ich lief beim Auxerrer Fußballclub vorbei und die Geräusche die
vom Trainingsplatz kamen, waren ziemlich animalisch. Aber das verstehen nur Fußballer.
Nach den vielen Tagen in der Weite der Hügel, fand ich den Weg am Kanal in seiner Begrenztheit recht "kuschlig". An jeder Schleuse holte ich das Boot ein und wir lachten schon, wenn ich überholte. In Vincelles legt es am Ufer an und ich fragte, ob sie Pause machen. Daraufhin wurde ich gefragt, ob ich englisch kann. Es waren Engländer die da schipperten. Es war wie verhext, mein Kopf war plötzlich voll Französisch- Vokabeln und die Englischen hatten eine Blockade! Lustig wie das Gehirn tickt. Am Ende hatten wir doch noch ein paar Sätze ausgetauscht.
Nach einer kleinen Radlerpause direkt am Fluss traf ich an der Brücke von Cravant zwei Belgierinnen auf Fahrradtour. Sie hielten an und fragten, wohin des Weges. Ich erfuhr, dass sie vor 20 Jahren über Le Puy nach Santiago gelaufen sind. Jetzt fuhren sie von Vezelay nach Belgien voll bepackt mit Zelt.
In Cravant verließ ich die Yvonne und wanderte über einen Bergrücken in das Tal der Cure. Es gibt auch hier einen Weinberg, aber der ist leider schon abgeerntet. In Accolay hatte ich mein 2. Hundeerlebnis. Ich sah vor mir auf der Straße einen großen, schwarzen Hund und dachte:" Du gehst deinen Weg, ich geh meinen Weg. Ist das o.k.?!" Wie ich es zu Rnde fachte, meinte der Hund, es ist nicht o.k. Er knurrte, fletschte die Zähne und bellte wie verrückt. Ich hielt ihm die Stöcke vors Maul und schimpfte ihn französisch voll, alles was mir einfiel. Es reicht! Sch...! Bon! Er drehte ab und verschwand hinter einer Hecke. Aber ich hatte eine Abzweigung verpasst und bemerke den Irrtum ca.200 m später. Das hieß ich mußte zurück und war kampfbereit, aber der Köter kläfft nur aus der Ferne und bleibt wo er ist. Hurra ich hatte gewonnen.
Dann führte der Weg an einem Waldhang parallel zum Fluss entlang und die "Draufblicke" waren sehr schön, da sich alles auf der Oberfläche spiegelte. Das erste frische Laub lag schon unten und verkündete das Ende des Sommers.
In Bessy-syr- Cure fand ich ein Santiagoschild mit 2024 km. Das heißt ja, ich bin bald da!
Nach 2 ziemlich steilen Auf- und noch steileren Abstiegen hatte ich mein Ziel Arcy-sur-Cure nach knapp 33km erreicht. Mein Hotel war schick und teuer und ich genoss die vielen Handtücher und den Fön.
Abends war ich mit Frank zum Pizzaessen verabredet und lernte Steve, seinen Vermieter kennen, der leider kein Zimmer für mich hatte. Er ist Engländer und hat früher in Moskau als Übersetzer bei einer Zeitung gearbeitet. Deshalb kann er auch russisch. Das fand ich faszinierend, war es doch in den siebziger Jahren, also zu Zeiten des kalten Krieges. Ich schätzte ihn auf Anfang 50, denn er war sehr athletisch gebaut, hatte nur ein paar graue Haare im Schwarz und stechend blaue Augen in einem sonnengebräunten Gesicht. Aus der Geschichte heraus erfuhr ich, dass er 67 ist. Meine Schätzung erfreut ihn und er meinte, wenn er gewußt hätte, wie charmant ich sei, dann hätte er noch ein Zimmer frei gemacht. Die ganze Unterhaltung fand in einem Mix aus Deutsch, Englisch und Französisch statt.
Das war mal ein sehr internationaler Pilgertag.
  Schwarzer Humor 

Am nächsten Tag stand ich pünktlich bei Frank vor der Tür, denn wir wollten einen Tag zusammen pilgern. Wenn jemand meint Frauen brauchen lange, dann ist das ein Irrtum! Frank war noch nicht eimal in den Startlöchern. Steve bat mich auf einen Kaffee rein und wir durften uns Mitnehmebrote schmieren und seine Frau gab uns noch Obst und Schokoriegel und das war unsere Rettung, denn der einzige Laden im Ort hat Montags geschlossen. Das sie auch für mich sorgten ist wieder ein Geschenk am Weg und ich bin dankbar diese lieben Menschen getroffen zu haben.
Dann ging es endlich zur Höhle von Arcy sur Cure. Ich wusste nicht, dass es die berühmteste nach Lescaut ist. Wir hatten das Pech, dass gerade eine Führung begonnen hatte und wir 20 min vertrödeln mussten. Die Führung ging 1,5 Stunden und war sehr interessant. Die Führerin sprang zwischen Französisch und Englisch hin und her, dass es eine Freude war.
Es ist schon Ironie des Schicksals, dass die Franzosen, die in meinen Augen nicht so "sauber" sind, Anfang der 70iger Jahre die Höhle elektrifiziert haben und die Wände und Stalagmiten und alles andere von Kerzenruß mit dem Kärcher gesäubert haben. In den flachen Teilen haben sie es gelassen und gerade dort hat just ein Archäologe 28 000 Jahre!!!! alte Höhlenmalerei gefunden, die jetzt freigelegt wird. Man geht davon aus, dass 80% abgewaschen wurden. C est la vie! Es gab einen " Tanzsaal" mit einer besonderen Akustik und wir wurden aufgefordert zu singen. Keiner traut sich, also sang ich " In des Berges finstrer Höhle..." und es klang gut  und man applaudierte sogar.

Dann gingen wir endich nach Vezelay. Ich war froh mit Frank zu laufen, denn ich hätte mich sicher am Anfang verirrt, aber Dank seiner genauen Karten ging alles gut. Dafür habe ich mal mein Tempo reduziert und bin geschlendert, denn Frank ist zwar jünger, hat aber ein "Fußproblem".
So kamen wir ziemlich knapp am Office de Tourisme an und wurden an die zentrale Pilgerherberge verwiesen. Holgers Brief mit meinem Wanderführer war nicht angekommen. Olala! Ein Problem! In der Herberge konnte eine Frau gut Deutsch und ich fragte nochmals und sagte er muß schon dasein. Sie schaute nochmal und er war da. Das Problem war also schnell gelöst. Ich sagte, dass ich gern 2 Übernachtungen hätte, um mal Pause zu machen und Wäsche zu waschen. Das geht nicht, denn das wäre Urlaub, erfuhr ich. Eine Waschmaschine oder einen Waschsalon gibt es auch nicht. Also mache ich eine Nacht fest und bin allein!! im Frauenschlafsaal. Bitte, was ist das Problem mit der 2. Nacht bei der Auslastung, wenn ich schon 500 km in Frankreich gepilgert bin.
Bei der Anmeldung lernte ich Luc aus Antwerpen kennen, der auch nach Santiago will. Er ist ganz lustig und half mit seinen Sprachkenntnissen bei der Anmeldung.
Wir gingen noch schnell etwas einkaufen, ich das Essen und Frank den Wein. Dann kochten wir in der Herberge, Frank die Nudeln, ich die Gemüsesoße. Zu Zweit schafften wir eine ganze Packung und klönten beim Essen mit Luc. Nach dem Abwasch verzog ich mich, um noch einiges zu erledigen. Morgens ist 7 Uhr Andacht und Pilgersegen und denn....
.... gehe ich weiter!

Sonntag, 6. September 2015

Stück für Stück....

...nähere ich mich wieder einmal dem Ende eines Pilgerführers. Noch 5 Etappen bis Vezelay!
Nach der herrlichen
Nacht im fürstlichen Bett bei Valerie gab es noch ein ebensolches Frühstück, was keine Wünsche offen ließ. Käse, Joghurt, Obst, 7 verschiedene selbst gekochte Marmeladen, Kaffee und Orangensaft. So kann ein perfekter Pilgertag beginnen.
Ich verabschiedete mich nun endgültig von Silke und Volker, die nun mit doppelter Geschwindigkeit vor mir her laufen/ radeln. Von Valerie verabschiede ich mich auch und die liebe Seele hat mir einen Rabatt aufs Zimmer gewährt. Sie hofft von mir zu hören und ich freue mich über diese neue Verbindung.
Im Supermarche kaufte ich mir Verpflegung für den Tag und schaute mir das Schloss noch an. Dann ging es weiter. Der Weg führte steil bergan, um dann über offenes Feld zu führen. Die Temperatur lag jetzt schon bei 24 Grad.
Der Weg wurde zur Asphaltpiste und in Lafolie füllte ich schon zum 1. Mal die Wasserflasche auf. Relativ schnell war ich dann in Blecourt, wo es eine herrlich lichte, offene Kirche mit morbiden Charme und einer unperfekten Madonna gibt. Es lief klassische Musik und ich entzündete ein Kerzlein für meine Lieben, las die Losung und trug mich ins Pilgerbuch ein. Nach der inneren Einkehr wusch ich mich draußen am Brunnen, füllte die Flasche auf und setzte mich unter einen großen Baum in den Schatten für eine Mittagsrast. In dem Baum zwitscherten jede Menge Vögel und so hatte ich sogar Unterhaltung. Bevor es weiter ging, hielt ich den Kopf unter das Wasser und füllte die Flasche auf. Später erfuhr ich, dass es 30Grad waren. Es ging jetzt am Waldesrand auf der Sonnenseite weiter und die Beschreibung war mal wieder ungenau, sodass ich kurz falsch war, aber den Wiedereinstieg fand.
Im nächsten Ort fand ich keinen Wasserhahn an der Kirche und so fragte ich eine alte Frau, die Blumen goss, Sie sagte NON! NEIN!  Das war jetzt das erste Mal auf dem Weg! Sie ging ins Haus und kam mit einem amtlichen Zettel vom 25.8. der wohl besagte, dass zur Zeit kein Leitungswasser getrunken werden soll! Hier hat es seit Monaten nicht geregnet. Ich bat um Mineralwasser und sie brachte eine kühlschrankkalte Flasche. Als ich bezahlen wollte, verneinte sie wieder. Wie lieb von ihr.
Mir fällt auf, dass ich in den Dörfern nur alte Leute sehe. Jedes 2. Haus von der Hütte bis zum Schloss, renoviert bis zerfallen, hat eine VENDRE- SCHILD. Steht also zum Verkauf.
Es ist nicht verwunderlich, soll doch ab 2017 in Bure, eine 100- Seelengemeinde, ein atomares Endlager gebaut werden. Er soll dort 100 000 Jahre lagern! Verrückt, oder? Der Widerstand ist gering. Wer es sich leisten kann, verlässt Hof und Haus und beginnt woanders ein neues Leben.
Ich schaffte ich die letzten Hitze- kilometer bis zur Pilgerherberge in Ambonville. Ja, das ist die erste französische Herberge am Weg. Ich wurde freundlich von dem Pfarrer, der am Nachbarhaus malerte, begrüßt. Er zeigte mir wo es reinging, wo ich was finde und ward nicht mehr gesehen. Die Herberge ist recht groß und liebevoll eingerichtet. Einzelschlafkammern, Gemeinschaftsraum, Küche mit Lebensmitteln und eine Waschmaschine! Hurra! Die wurde gleich angemacht und alles, auch Sitzkissen, Fototasche, Schnürbänder und Brillenputztuch! kamen rein.Alles mal wieder richtig gewaschen! Wie mich das freut! Die Schuhe wurden auch vom großen Dreck befreit, so dass ich sonntagsfein einer neuen Etappe ins Auge sehen kann. Die Schwester kam auch noch vobei und wir unterhielten uns nett mit Wörterbuch! Ich werde immer besser!

Ich kochte mir etwas zum Abendessen und setzte mich damit vor die Tür.
Dann wurde es Zeit schlafen zu gehen und ich stellte fest, dass es keinen Schlüssel zum Abschließen gab. Ich bin ehrlich, da wurde mir mulmig. Bruni allein in der Pilgerherberge, nur mit einer, mit einem Sturmhaken gesicherten Tür! Ich habe eindeutig zuviele Tatorte gesehen! Hier muss ich was ändern.
Die Nacht war deshalb weniger erholsam, denn ich verarbeite ja alles in Träumen. So stand ich gerädert auf, kochte Kaffee und frühstückte. Beim alles Zusammenpacken entdeckte ich eine Personenwage. Nichts wie drauf! Die schlechte Nachricht: mein Rucksack wiegt immer noch 15 kg! Die Gute: Ich verliere eins nach dem anderen, meine Wechseljahre- Frustrations- Röllchen!
4 kg sind nochmal weg! Wenn das noch 4 Wochen so weiter geht, bekomme ich mein viele-Jahre- Lieblingsgewicht wieder. Das wäre schon mal eine große Veränderung an mir durch den Weg.

Die nächste Etappe wartete auf mich und so zog ich los und sonntags morgen ist in den Dörfern erst recht nichts los. Ich lief auf Landstraßen und begegnete nur zwei Radfahrern. Ich merkte, wie ich den Weg mit anderen Augen sah. Ich prüfte die Oberfläche und dachte an Silke und Volker, die hier gestern lang gekommen sind und beurteilte, ob es für sie eine leichte oder eine schwierige, Etappe war. Ich bin ja sehr von Volkers Durchhaltevermögen beeindruckt, aber noch mehr beeindruckt mich Silke, die ihren Urlaub und ihrer Wünsche so völlig selbstlos unterordnet. Erst wenn für Volker alles optimal ist, hat sie Ruhe, um an sich zu denken. Echt stark, diese Frau!
Inzwischen kam ich nach Blaise, wo 2 Hunde wild kläften. Ich sah ein geschlossenes Tor, hörte eine energische Männerstimme und wähnte mich auf der sicheren Seite. Plötzlich kamen ein größerer Jagdhund und ein mieser " Wadenbeißer" über das Feld auf mich zugekläfft.( Der Zaun hatte wohl ein Loch). Mir rutschte das Herz in die Hose und schlug Alarm. Ich richtete meine Stöcke genau auf die Schnauzen und war zu allem entschlossen. Ich rief immer wieder um Hilfe und nach einer gefühlten Ewigkeit kam endlich der Besitzer und nach der 3. Rüge ließen sie ab von mir und verschwanden. 55 Tage. ging alles gut und jetzt beruhigte sich mein Puls.
Die Sonne meinte es wieder gut mit mir und ich nahm jeden Wasserhahn am Weg mit. In der Mittagshitze kam ich in Colombey- des- 2 Eglises an und begab mich zuerst zum Memorial Charles de Gaulles. Unterhalb des Denkmals hörte ich noch den Schlussgesang eines Freiluftgottesdienstes und sah alte, ordenbehängte Männer. Wie passend.

Die Geschichte lassen sich die Franzosen gut bezahlen. Ich zahlte 16.50€ Eintritt. Das Lothringer Kreuz  (Zeichen des französischen Widerstandes gegen Deutschland als Pendant zum Hakenkreuz) war den ganzen Weg schon zu sehen und ragt gigantisch in den Himmel.

Die Ausstellung ist sehr modern und informativ und alle Texte sind auch in Englisch und Deutsch!
Nach 1,5 Stunden hatte ich genug Geschichte und ich besorgte mir etwas zu essen und zu trinken. Ich suchte ein schattiges Plätzchen und pausierte, bevor ich mir das Grab und das Wohnhaus der Familie noch anschaute.

Dann hatte ich nur noch 12 km vor mir. Der Weg führte auf der Landstraße und 6 km auf einem breiten Forstweg in praller Sonne nach Clairveaux. Am ersten offenem Haus fragte ich nach Wasser und schüttete den ersten Liter in mich hinein.
Mein Nachtlager hatte ich im Gästehaus der "Fraternite' Saint Bernard. Das ist ein Haus für Familienangehörige des Strafvollzuges. In der ehemaligen Abbeye ist ein Hochsicherheitsgefängnis für richtig harte Fälle. Die beiden Schwestern die Dienst hatten, waren sehr freundlich. Beim Abendessen konnten wir uns sogar unterhalten, weil die Eine deutsch spricht und übersetzte. Ich glaube es ist keine leichte Aufgabe dieses Haus zu führen. Aber der Glaube gibt ihnen die Kraft mit anderen Religionen und den Verfehlungen der Menschen umzugehen. Ich erzählte ihnen die Geschichte von den Schmunzelsteinen und ließ einen bei Ihnen.
Dieses gemeinsame Essen habe ich sehr genossen.  Der Tag war anstrengend und so ging ich früh schlafen.
Am nächsten Morgen erwartete mich ein bescheidenes Frühstück und ein nettes Gespräch über den neuen Papst und seine sonntägliche Ansprache. Danach wurde noch ein Foto für ihr Pilgerbuch gemacht und sich herzlich verabschiedet.
Der Morgen war noch jung und eine kühle Brise wehte, sodass ich schnellen Schrittes losmarschierte. Es ging an einer kaum befahrenen Landstraße lang und ich hing meinen Gedanken hinterher, sodass ich schnell an der Chapelle de Mondville war, welche natürlich verschlossen war. Eine alte Steinbank unter einem mächtigen Lindenbaum säuselte mir zu:" Mach Pause!"

Ich genoss den Ausblick, Obst und Wasser und freute mich an diesen schönen Ort. Im Ort selber war das  "Marie" geöffnet und die nette Dame schenkte mir nicht nur einen Stempel und freundliche Worte, sondern auch eine Flasche Wasser.
Ich lief weiter bis St. Usage und hier war gar nichts. Ich machte am Friedhof meine Mittagspause und war froh noch eine Flasche Wasser zusätzlich zu haben. Hier gab es keinen Wasser-anschluss. Es waren wieder über 30 Grad und der Wind trocknete den Schweiß wunderbar, trocknete aber auch Mund und Lippen aus.
Ab jetzt war der Weg wieder als Jakobsweg gekennzeichnet und ich freute mich über die Muschel.

Ich durchquerte verbotener Weise eine Baustelle ( es arbeitete niemand und der Weg verlief da), kam durch ein Kiefernwäldchen, welches so herrlich duftete, dass ich an " meine" Insel ( Ile de Nourmatier) erinnert wurde. Und dann kam ich auf dem Plateau de Blu raus und es verschlug mir den Atem. So ein schöner Ausblick, so eine Weite und so ein Grün von Wein und Wald! Mein Gott, wie bezaubernd das war.

Nun waren es nur noch 5 km bis Essoy. Ich kam mittags an und stellte fest, dass Montags hier alles geschlossen hat. Bäcker, Fleischer, Pizzeria.
Aber die Touriinfo hatte auf. Ich bekam einen Stempel und eine Eintrittskarte für den Renoir- Rundgang. Er lebte, arbeitete und starb hier.
Foto Friedhof
Im Anschluss holte ich meinen Rucksack ab, ließ ein Quartier für den nächsten Tag reservieren und lief zur Apotheke. Meine Hirschtalgcreme geht dem Ende entgegen. Ich sagte, dass ich eine Creme für die Füße brauche und zeige meine fast leere Tube mit den Inhaltsstoffen, die auch auf französisch drauf stehen. Diese hat sie nicht, aber etwas ähnlich fettes. Ich werde sehen, ob es klappt.
Mein Quartier ist diesmal etwas ganz besonderes! Eine Pflückerunterkunft bei einem Sekthersteller. Ich habe die ganze " Baracke" für mich allein. Es ist einfach aber großzügig. Es gibt sogar einen riesigen Kamin.

Um 19.30 Uhr war ich zum Diner eingeladen. Ich erschien pünktlich und wurde auf die Terasse mit Swimmingpool geführt. Die beiden Kinder (ca 17 und 20 Jahre) versuchten mit mir ins Gespräch zu kommen und es klappte auch ganz gut. Mit ihrer Hilfe erfuhren dann auch die Eltern, was ich erzählte. Es gab zur Begrüßung eine Flasche Champagner und dann 4 Gänge. Zum Käse gab es einen schönen trockenen Rotwein. So lecker habe ich schon lange nicht mehr gegessen. Ich genoss vorallen die Salatvielfalt. Der Abend war lau und die Vorboten eines Gewitters machten sich bemerkbar.
21.30 Uhr bedankte ich mich für den schönen Abend und das gute Essen und ging schlafen.
In der Nacht tobte ein heftiger Sturm über den Süden Frankreichs, hier war nur ein starkes Gewitter und der Morgen begann bleigrau mit Regenstrippen.
Beim leckeren Frühstück sah ich die Bilder im TV davon. Ich wollte meine Übernachtung bezahlen, aber Madame lehnte energisch ab. Sie erklärte mir, sie kann nicht pilgern und dass ist ihr Beitrag, damit andere dahin kommen. Ich soll in Santiago ihrer Familie gedenken. Das werde ich sicher tun.
Ich packte meine Sachen extra wasser-fest in Plastiktüten und steckte mich in die Regenmontur, dann ging es los, dem Wetter trotzend. Ich beschloss ein paar Kilometer mehr zu gehen und anstatt der Feldwege, die sicher total aufgeweicht sind, die kleinen Landstraße zu benutzen. Der Verkehr ist ja sehr über-sichtlich und die Franzosen rücksichts-
voll, sodass ich in keine Fontänen kam. Ab und an hob ich den Blick von der Straße, um zu schauen, wo ich bin. Dabei sah ich die Schönheit der Weinberge und konnte sie nicht genießen, da der Regen die Brillengläser trübte. Ich fühlte mich den Sonnenblumen auf dem nächsten Feld verbunden. Den Kopf tief zur Erde geneigt! Es wurde nicht heller und da ich eine kurze Etappe hatte, lief ich die 18 km in 4 Stunden durch und kam bis auf die Haut durchnässt in Les Riceys an.
Meine wirklich teure Regenjacke hat völlig versagt! Die Hose gab ihr bestes, da ich aber unten drunter nass war, lief es auch irgendwie in die Hose! Auch die Schuhe haben nach 4 Stunden heftigen Landregen ein paar undichte Stellen. Die Tüte um meinen Fotoapparat war auch nicht dicht und so habe ich heute Totalschaden! Ich hoffe aber, dass wenn er trocken ist, wieder funktioniert. Die Hoffnung stirbt zuletzt!
Ich wurde an ein älteres Ehepaar vermittelt und bekam erst einmal ein Mittagessen.
Dann konnte ich heiß duschen und mich ausruhen. Ich wollte mein Handy aufladen und stellte fest: Ach du Schreck, mein Stecker ist weg! Wildes suchen, den Rucksack ein über das andere mal ausgeschüttet, nichts. Ich überlegte und dann fiel mir ein,  dass ich den Stecker wahrscheinlich in der Dose gelassen habe und nur das Kabel rausgezogen habe. Was für ein Mist! Ich ging nach unten und versuchte mein Problem zu erklären. Ich bat anzurufen, damit ich mit einem Bus?? ihn holen kann. Es nahm niemand ab. Die Frau versuchte mich zu beruhigen und erzählte etwas von" wenn mein Mann zurück ist". Ich ging aufs Zimmer und legte mir verschiedene Pläne zurecht. Der Mann kam zurück und hatte meinen Stecker abgeholt. Was für ein Schatz!
Holger schrieb mir per sms ein Dankeschön, was ich zeigte. Sie freuten sich darüber. Manchmal ist die Technik doch zu was nütze.
Nun konnte ich mir beruhigt den Ort ansehen. Ich bekam den Kirchenschlüssel und war ganz allein in der schönen, aber sehr desolaten Kirche von Les Riceys- Bas.

Die Familie, bei der ich schlief, hat einen Familienstammbaum von 1610 an der Wand. Wahnsinn! Darunter auch ganz viele Weinbauern. Bei einem einfachen, leckeren Abendessen erfuhr ich die Namen und Geburtstage aller 15 Enkel.
Der Mann zeigte mir stolz seine Urlaubsliste in der er seit 1968 alle Reisen eintrug. Ein wahrer Globetrotter! Er war in Moskau und St. Petersburg, Marokko, Israel, USA, Norwegen,Polen, Holland.... ich bin schwer beeindruckt.
Ich beschloss mal mein Bett selber zu reservieren. Ich legte mir alle Sätze zurecht und wählte die Nummer. Es meldet sich eine Frauenstimme: Hallo, wer da? Was kann ich für dich tun?" Ich war total perplex und reservierte in besten Deutsch ein Zimmer.
Am nächsten Morgen war es frisch und neblig, sodass ich das erste Mal in langer Montur loslief. Zum Glück gab es einen Radweg an der Straße sodass ich sicher in den anderen Ortsteil von Les Riceys kam. Dort suchte ich ein Geschäft, denn auf den nächsten beiden Etappen gibt es nichts. Nur weites Land und kleine Dörfer. Aber ich fand nichts und da ich noch eine Tüte " Sicherheits-
müsli" hatte, mache ich mich auf den Weg. Nach 2 Stunden lichtete sich der Nebel und die Sonne kam raus und es wurde warm. Am Weinberg hielt ich an und wechselte die Sachen. Ich lief Landstraße und auf 10 km begegnen mir 2 Autos. In Bragelogne ist dann Müslipause am Dorfteich. Die nächsten 7 km bin ich ganz allein und Vielliers-le-Bois ist so tod, dass nicht einmal ein Hund kläfft. So bin ich schon 15 Uhr am Ende meiner Etappe und habe wieder eine sehr schöne Unterkunft und ich kann mich auf Deutsch unterhalten.
Ingeborg ist Holländerin und eine von der ganz herzlichen Sorte! Ich durfte mich in den Garten setzen, bekam ein Fußbad und ein paar Gummiglogs. Dazu ein Kaffee und ein lustiges Gespräch. Sie zeigte mir das Haus und alles ist noch im Aufbau begriffen, aber sehr schön. Wer mehr wissen möchte kann unter www.weerwoord.com nachschauen.
Ich erledige die persönliche Wäsche und kann mich 2 Stunden ausruhen, bevor ich mit einem Abendessen verwöhnt werde.
So geht es mir mit Frankreich!