Donnerstag, 25. April 2024

Ich kann es nicht lassen

Der Pilgervirus hat mich bekanntlich 2015 infiziert und seit dem wandere ich, sobald ich Zeit habe und erschließe mir so Landschaften/ Länder auf eine ganz eigene Weise. Holger konnte ich inzwischen auch dafür gewinnen. (Unsere Urlaube in den letzten Jahren verbrachten wir auf Pilgerwegen.) Dabei ist für Holger die erste Woche okay, die Zweite läuft und nach der Dritten reicht es auch wieder.

Bei mir ist es dagegen so, dass ich eine Woche zum Abschalten brauche, in der Zweiten sich die Routine festigt und es ab der Dritten läuft es, sodass ich nicht mehr aufhören möchte.

Der Camino del Norte faszinierte mich schon vor meiner ersten Pilgerwanderung. Ursprünglich wollte ich diesen mit meiner großen Schwester zu ihrem Renteneintritt laufen, um uns fit zu halten. Nun hat sie ihr Rentnerdasein begonnen und ihr fehlt der Mut, die Kraft oder einfach die Überwindung sich auf den Weg zu machen. Ich habe versucht ihre Argumente zu entkräften, aber ihr macht meine Fitness Angst und so möchte sie sich nicht aus der eigenen Komfortzone wagen. Vielleicht ist es aber auch der lange Zeitraum, der sie verunsichert, denn solange ist sie noch nie gewandert. Den portugiesischen Weg ist sie schon erfolgreich gepilgert. Doch die Nordroute ist ein anderes Kaliber. Schade, ich hatte auf eine schöne Schwesternzeit gehofft. Doch ich möchte unbedingt am Meer laufen.

Zum Glück gönnt mir mein Lieblingsmensch auch allein eine Auszeit und ich habe zwei Monate Zeit auf dem Camino del Norte zu pilgern. Yippi!Yeh! 

Allein werde ich starten und drei Wochen später, wahrscheinlich in Gijon, kommt mein Pilgerfreund Benjamin dazu. Wir werden gemeinsam nach Santiago de Compostela und Finesterre pilgern. Was für ein Projekt! Es wird uns zeigen, ob wir noch im Gleichmass laufen und wir unser ganz großes Pilgerprojekt für 2025 weiterspinnen.

Die Vorfreude wächst von Tag zu Tag und die Wandersachen, neue Wanderschuhe und der Rucksack liegen schon bereit. Eine Buchliste ist online angelegt, sodass ich genug Lesestoff ohne Gewicht dabei habe. Hoch lebe die Technik! Außerdem musste auch noch ein neues Handy her, weil mein Akku schwächelte. Das ist nun eingerichtet und so langsam verstehe ich die Bedienung. Nun sollten auch tolle Fotos entstehen, denn die Kamera ist eine bessere.

Jetzt gilt es nur noch ein wenig den Haushalt zu organisieren und die restlichen Vorbereitungen zu treffen. Die Anfänge sind schon seit einer Woche im Wäschekorb.

Ich träume schon jede Nacht vom Pilgern, bin unruhig, hibbelig und gespannt. In der letzten Zeit habe ich einige Bücher von Weitwanderern gelesen, den Camino- Podcast gehört und jetzt möchte ich sehen, ob sich wirklich soviel verändert hat. Wer ist unterwegs, mit welchen Problemen habe ich diesmal zu kämpfen, gibt es genug Herbergsplätze, finde ich den Weg oder sind die Umwege wieder meins. Fragen über Fragen und eine unbändige Neugier lassen die Tage verfliegen.

Nun bin ich schon einen Schritt weiter und habe alle Sachen soweit schon einmal verpackt und gewogen. Bei jeder Zahl auf der Waage habe ich noch einmal in mich hineingehört und mir die Frage gestellt: Brauchst du das wirklich oder ist es doch ein wenig "Luxus"! Dadurch sind noch ein paar kleine Dinge wieder zurück in den Schrank gewandert und schon etwas Gewicht gespart. Mein Ziel sind 8 kg Rucksackgewicht ohne Essen und trinken. Also heißt es die Kleidung drastisch zu reduzieren ohne zum "Stinktier" zu mutieren.

 

Die großen Weitstreckenwanderer sind ja stolz auf ihre Hygieneexperimente, aber eine Unterhose fünf Tage zu tragen ohne waschen und sich selbst zu duschen, sind für mich einfach nur eklig. Ich werde also nie einen solchen Trail in Angriff nehmen.

Doch bei aller knapper Kalkulation ist die Kleidung im Verhältnis noch das Leichtere. Inzwischen habe ich festgestellt, dass ich am Anfang fast ein Kilogramm "Verbrauchsgüter" mitschleppe. Nicht nur Sonnencreme und Bettwanzenspray, sondern auch eine große Tüte Dauermedikamente, die ich inzwischen einnehme und wo mir die Ärtztin von einer Absetzung abriet. Ja, das Alter fordert seinen Tribut, aber am Ende wird es also viel leichter. 


Als alles im Rucksack verstaut ist, wiegt dieser 7800 Gramm! Hurra, Ziellinie erreicht!

Am Montag wird der Rucksack endgültig gepackt ( am Wochenende sind wir noch auf Wandertour mit unserer Wandergruppe) und am Dienstag Nachmittag bin ich schon in Paris! Am Mittwoch in Hendaye und am Donnerstag starte ich die erste Etappe von Irun aus.

Ultreia e buon Camino!